Nase voll von den Labour-Reformen
Steuererhöhungen vertreiben die Superreichen aus Grossbritannien

Die Pläne der Labour-Partei bereiten Vermögenden schlaflose Nächte. Viele verlassen die Insel – und landen eher in Dubai als in der Schweiz.
Publiziert: 09.10.2024 um 17:40 Uhr
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Grossbritannien verzeichnet aktuell die stärkste Abwanderung von Milliardären und Milliardärinnen seit knapp vier Jahrzehnten.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

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Carmen Schirm
Handelszeitung

Grossbritanniens Reiche haben es satt. Gemäss der Reichsten-Liste der «Sunday Times» 2024 verzeichnet das Land aktuell die stärkste Abwanderung von Milliardären und Milliardärinnen seit dem 36-jährigen Bestehen dieser Liste. Immer mehr Namen dieser Reichsten werden publik, die der Insel kürzlich Goodbye gesagt haben. Dazu gehören der Technologieunternehmer Johnny Boufarhat, der Private-Equity-Tycoon John Grayken, der Bergbaumagnat Telis Mistakidis und der Schifffahrtserbe Trond Mohn. 

Steuerberaterinnen und Anwaltskanzleien haben alle Hände voll zu tun. «Im vergangenen Quartal verzeichneten wir 320 Prozent mehr Anfragen im Vergleich zum Quartal davor», sagt Peter Ferrigno, Group Tax Director bei Henley & Partners, einer Beratungsfirma für Fragen der Aufenthaltsbewilligungen und Staatsbürgerschaften in London. Der im Juni veröffentlichte «Global Wealth Report» der UBS geht davon aus, dass das Vereinigte Königreich bis 2028 fast jeden sechsten seiner Millionäre verlieren wird.

«Non-Doms» werden zur Kasse geboten

Es gab eine Zeit, in der galt Grossbritannien, insbesondere London, als eines der weltweit beliebtesten Ziele für Reiche aus aller Welt. Von den 1950er- bis zu den frühen 2000er-Jahren lockte das Land eine grosse Zahl wohlhabender Familien aus Kontinentaleuropa, Afrika, Asien und dem Nahen Osten an. Tempi passati.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Die rigiden Steuerpläne der Labour-Partei machen Londons Reichste nervös. Im Frühling hat die konservative Vorgängerregierung das Ende des 225 Jahre alten «Non-Dom»-Systems angekündigt. Dieses ermöglicht es ausländischen in Grossbritannien lebenden Personen, für ihre im Ausland erzielten Einkünfte keine Steuern zu zahlen, wenn sie im Gegenzug bis zu 60’000 Pfund pro Jahr im Voraus zahlen.

Die neue Regierung hat das Thema aufgegriffen und macht schnell vorwärts: Die wichtigste Änderung, die Anfang nächstes Jahr in Kraft tritt, besteht darin, dass das weltweite Vermögen einer Person neu der Erbschaftssteuer unterliegt, wenn sie zehn Jahre in Grossbritannien verbracht hat.

Die Briten ticken anders

Selbst nachdem die Person Grossbritannien verlassen haben würde, bliebe das Vermögen zehn Jahre lang im Visier des Fiskus. Die Aussicht, dass die britische Steuerbehörde 40 Prozent des Imperiums eines verstorbenen Tycoons einbehält, ist für die meisten zu viel. Zudem wurde unlängst der britische Körperschaftsteuersatz von 19 auf 25 Prozent angehoben. Ein Schlag für grosse oder wachsende Unternehmen. Der Spitzensteuersatz beträgt gar 45 Prozent. 

Grossbritannien tickt seit geraumer Zeit anders. Während Europa politisch nach rechts steuert, regiert im Inselstaat seit diesem Sommer die linksgerichtete Labour-Partei. Die Labour ist bekannt dafür, dass sie Umverteilung als geeignete Massnahme zur Förderung des Wohlstands breiterer Bevölkerungsschichten ansieht. Und daran arbeitet. «Abgesehen von der Erbschaftssteuer wurde fast an jeder Stellschraube gedreht beziehungsweise angekündigt, man überlege sich dies», sagt Ariel Sergio Davidoff, Partner bei Lindemannlaw in Zürich.

Unter konservativer Führung hat die Abkehr von der EU stattgefunden, mit zahlreichen als negativ empfundenen Konsequenzen für die Normalbürgerin. Gleichzeitig hat sich die Schere zwischen Arm und Reich vergrössert. «Die Abwahl der Konservativen und der Aufstieg der Labour hat mit innenpolitischen Schuldzuweisungen und dem Aufbruch zu neuen Ufern zu tun», sagt Davidoff. «Die Reichen fallen der Parteilinie zum Opfer, da sie ja in der Minderheit sind.»

Auch Hedgefonds bibbern

Risikokapitalgeber und Hedgefonds bibbern ebenfalls. Die sogenannte Carried Interest, die Gewinnbeteiligung am erzielten Vermögenszuwachs einer Kapitalanlage zugunsten des Managers, wird derzeit mit 28 Prozent statt des höheren Einkommensteuersatzes von 45 Prozent besteuert.

Das könnte sich bald ändern. «Wir erwarten eine gewisse Anpassung nach oben, aber nicht die volle», sagt Ferrigno von Henley & Partners. «Würde künftig der höhere Einkommenssteuersatz verwendet, würde dies einen grossen Teil der Venture- und Hedgefondsmanager vertreiben.» 

Auch nicht finanzielle Faktoren treiben die Superreichen mit ihrer Familie im Schlepptau in die First-Class-Lounges von Heathrow. Das Tier-1-Visum, das wohlhabenden Ausländern und Ausländerinnen eine Aufenthaltserlaubnis gegen Investitionen ermöglicht hat, wurde abgeschafft. Es steht der Vorschlag im Raum, auf Privatschulgebühren eine Mehrwertsteuer zu erheben. Dies könnte die private Bildung um 20 Prozent verteuern. Die Tatsache, dass nach englischem Recht ein Ehepartner Anspruch auf rund die Hälfte des Familienvermögens hat, ist für viele ein weiterer Abtörner.

Nun warten Investmentfirmen, Vermögensverwalter und Privatbankiers, welche Finanzdienstleistungen für rund 70’000 in Grossbritannien ansässige Personen mit Non-Dom-Status erbringen, in höchster Alarmbereitschaft auf den Beginn der historischen Steuerreform. Mit dem Fazit: Nur China wird 2024 wohl mehr Reiche verlieren als Grossbritannien. 

Profitiert die Schweiz von diesem Exodus? «Solange die Initiative der Juso noch pendent ist, ist die Schweiz nicht das Hauptzuwanderungsland für vermögende Menschen», sagt Davidoff. Die Jungsozialisten haben im Februar eine Erbschaftssteuerinitiative eingereicht, welche eine Steuer von 50 Prozent auf Erbschaften über 50 Millionen Franken verlangt.

«Diese Art von Klientel möchte Sicherheit, und die wird andernorts derzeit klarer angeboten.» Die Liste der zehn beliebtesten Auswanderungsländer für Reiche von Henley & Partners zeigt: Die Vereinigten Arabischen Emirate liegen ungeschlagen an erster Stelle. Die Schweiz kommt erst auf Platz sieben, noch hinter Italien, aber vor Griechenland. 

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