Nach «Verweichlicht»-Aussage von Verbandspräsident Wyrsch
Junge Hoteliers stürmen Bühne in Graubünden

In der Bündner Hotellerie herrscht ein Generationenkonflikt: Junge Touristiker stürmen an der Delegiertenversammlung die Bühne und kritisieren den Verbandspräsidenten. Dieser hatte die junge Generation im Vorfeld als «verweichlicht» bezeichnet.
Publiziert: 05.02.2024 um 12:02 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2024 um 14:28 Uhr
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Der Bündner Hotelierspräsident Ernst «Aschi» Wyrsch sorgt mit seiner Aussage über die «verweichtlichte» junge Generation für Ärger.
Foto: Sabine Wunderlin
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Die jungen Touristiker in Graubünden lehnen sich gegen ihren Präsidenten auf – und stürmen an der Delegiertenversammlung der Bündner Hoteliers die Bühne. Auslöser war ein Interview von Ernst «Aschi» Wyrsch (62), Präsident des kantonalen Hotelierverbands, mit der «Südostschweiz». Der ehemalige Direktor des Davoser Hotels «Belvédère» holte darin zum Rundumschlag gegen eine ganze Generation aus: «Die Jungen sind heute verweichlicht», so seine Kritik. Die Jungen würden zu schnell aufgeben und seien zu empfindlich. Wyrsch fordert deshalb ein Umdenken in Erziehungsfragen.

Wyrsch ist bekannt für seine markigen Worte. Die jungen Branchenvertreter wollen den Frontalangriff jedoch nicht auf sich sitzen lassen und verschaffen sich an der Delegiertenversammlung vom 26. Januar Gehör, wie die «NZZ» berichtet. Gegen Ende der Veranstaltung schreiten fünf Personen aus dem Publikum im Kongresszentrum in Pontresina GR zur Bühne. «Wenn man uns keine Plattform gibt, schaffen wir sie uns selber», sagt der 29-jährige Jamie Rizzi ins Mikrofon. Er ist stellvertretender Gastgeber im Hotel «Schweizerhof» in Lenzerheide und Mitglied im Netzwerk der jungen Bündner Touristiker. Er arbeitet also im Betrieb von Andreas Züllig (65), der bis Ende 2023 noch als Präsident von Hotelleriesuisse amtete.

Ruf der Jungen «ins rechte Licht rücken»

Die Gruppe hatte vorgängig angefragt, an der Veranstaltung mit 180 Gästen das Wort ergreifen zu dürfen. Wyrsch hatte jedoch abgelehnt. Rizzi und seine Verbündeten wollen den Ruf der jungen Generation «ins rechte Licht rücken». Stellvertretend für viele junge Leute, die ihre Arbeit in der Branche mit viel Engagement ausüben würden.

Dass gerade viele Junge wenig Bock auf einen Job im Gastgewerbe haben, hat seine Gründe: darunter die langen Arbeitstage oder alte, hierarchische Führungsstrukturen. Viele empfinden die Branche als zu wenig attraktiv. Die Personalsorgen sind entsprechend gross: Im Gastgewerbe war zu Beginn des diesjährigen Winters jede zehnte Stelle unbesetzt.

Netzwerk fordert attraktivere Arbeitsbedingungen

Das Netzwerk fordert Veränderungen wie eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten, flachere Hierarchien, eine bessere Work-Life-Balance und mehr Wertschätzung für Angestellte.

Rizzi und seine Mitstreiter fürchten zudem, dass Wyrschs Pauschalkritik potenzielle künftige Mitarbeiter oder Führungskräfte von der Branche fernhalten könnte.

Der Bündner Hotelierverband arbeitet an einem Programmmit dem wieder mehr Fachkräfte für die Branche begeistert werden sollen. Eine Plattform an der Delegiertenversammlung für die Jungen wäre ein Schritt in diese Richtung gewesen. Warum Wyrsch die Anfrage ablehnte? «Ich lasse mir das Programm nicht von den Jungen diktieren», sagt er zur «NZZ».

Der Hotelier ist aber überzeugt, dass er mit seiner Aussage etwas erreicht habe. «Es ist wunderbar, wenn man sich unter den Generationen reibt», meint er. «So entstehen Lösungen.»

Längst nicht alle Hoteliers teilen Wyrschs Meinung: Bei vielen der Anwesenden in Pontresina kam der Auftritt der Jungen gut an.

Gastgewerbe hat bei Schweizern an Ansehen eingebüsst

Das Gastgewerbe hat bei Schweizerinnen und Schweizern massiv an Attraktivität verloren. Während 1996 noch drei Viertel der Angestellten aus der Schweiz kamen, sind es 2022 nur noch die Hälfte. Der Ausländeranteil ist damit im Vergleich mit anderen Branchen doppelt so hoch.

In einigen Regionen ist ihr Anteil noch deutlich höher. Das erschwert auch die Integration von Lernenden – und könnte mit ein Grund für die sehr hohe Abbruchquote sein.

Einige Hotelies sind aktiv geworden, locken mit zwei freien Arbeitstagen am Stück oder haben die Zimmerstunde abgeschafft. Auch die Löhne im Gastgewerbe sollen gemäss Prognose der Konjunkturforschungsstelle ETH Zürich in diesem Jahr mit 3,8 Prozent überdurchschnittlich stark ansteigen. Trotzdem dürfte das den Fachkräftemangel nicht beheben: Das Gastgewerbe bleibt eine Tieflohnbranche. (smt)

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