Nach den Sommerferien ist es das grosse Thema in den Kaffeepausen: Wohin sind die Schweizerinnen und Schweizer vereist? Dolce Vita an Stränden oder Aktiverholung in den Schweizer Bergen. Für die Hotelangestellten bringt das Vergnügen ihrer Gäste knüppelharte Arbeit und in der Hauptsaison wenig Ruhetage. Und dazu sind immer weniger Menschen bereit. Die Betriebe leiden unter einem gravierenden Fachkräftemangel.
Die Hotels greifen deshalb zu kreativen und immer öfters zu wenig zimperlichen Methoden, damit sie ihre wichtigsten Posten mit Topleuten besetzen können. «Wir haben in der Hotellerie mittlerweile Verhältnisse wie im Fussball. Es geht zu und her wie auf dem Transfermarkt», sagt Ernst «Aschi» Wyrsch (61), Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden.
Fast 8 Prozent der Stellen sind offen
Was er damit meint? «Die Betriebe werben sich gegenseitig ihre Spitzenleute in der Patisserie oder in der Küche ab», führt er aus. Hotels locken Küchenchefs und Sous-Chefs mit hohen Gehältern, einer 4-Tages-Woche und attraktiven Benefits. Wer zur Konkurrenz wechselt, bekommt beispielsweise ein Skiabonnement oder eine vergünstigte Mietwohnung obendrauf.
Fachkräftemangel im Schweizer Tourismus
Wie gross das Problem der Hotels ist, zeigt eine aktuelle Umfrage von Hotelleriesuisse Graubünden. Gemäss Rückmeldungen sind 7,5 Prozent der Stellen unbesetzt. «Das ist derzeit die grösste Sorge der Hoteliers», so Wyrsch. Ein Problem, unter dem auch die Betriebe im Berner Oberland oder im Wallis leiden, wie die dortigen Hoteliervereine bestätigen.
«Transfers» treiben die Preise nach oben
Die Gäste kriegen von all dem nur wenig mit. Das alles geschehe hinter den Kulissen, so der Hotelierpräsident. Sie spüren den Transfermarkt aber im Portemonnaie. «Dieser Transferwildwuchs treibt die Preise zusätzlich nach oben», so Wyrsch.
Potenzielle Arbeitskräfte haben bei den Verhandlungen so viel Macht, wie selten. Das zeige sich über alle Stellen hinweg, sagt der Hoteliers. Eine Servicekraft könne je nach Sprachkenntnissen und Erfahrung inklusive Trinkgeld zwischen 5000 und 8000 Franken verdienen. «Die Arbeitnehmer diktieren den Lohn», so Wyrsch. Hinzu kommen höhere Einkaufspreise und Strompreise. Das Ergebnis: Die Berghotellerie hat ihre Preise nach oben angepasst. Im Graubünden zahlen Gäste gegenüber dem Vorjahr 3,5 Prozent mehr.
So reagieren Hotels auf den Personalmangel
Der Tourismus kämpft schon länger mit einem akuten Fachkräftemangel: Einige Betriebe haben deshalb ihre Speisekarten reduziert oder schränken die Öffnungszeiten des Hotelrestaurants ein. «Trotzdem bleibt natürlich einiges am vorhandenen Personal hängen. Die schlechteste Variante ist es, wenn ein Hotel bei der Qualität abbaut», sagt der Hotelierpräsident.
Die Branche sucht auf Hochtouren nach Lösungen für den Personalengpass, Patentrezepte gibt es keine. Denn die Arbeit ist streng und die Arbeitszeiten für viele unattraktiv. «Das wollen gerade Jüngere oft nicht auf sich nehmen», so Wyrsch. Er glaubt aber an die Trendwende. «Durch die Arbeit im Gastgewerbe können wir Menschen glücklich machen. Das müssen wir mit gutem Storytelling besser vermitteln.»