Darum gehts
Zölle, was war das noch mal? «Die Mehrzahl der Firmen weiss nicht, wie viel Zoll sie effektiv bezahlt», sagt Simeon Probst, Leiter Zoll und internationaler Handel bei der Unternehmensberatung PwC. Nun ist das Thema mit Wucht oben auf der Agenda der Firmenchefs angekommen. Zwar hat US-Präsident Donald Trump den Strafzoll für die Schweiz von 31 Prozent sistiert, es bleibt allerdings beim allgemeinen Zoll von 10 Prozent, zuzüglich bestehender Zölle für bestimmte Warengruppen.
Das Zollwesen ist komplex. Daher gibt es durchaus Optimierungspotenzial: Rund 20 Prozent an Zollaufwand können Firmen im Schnitt einsparen, wenn sie das Zollrecht korrekt anwenden, sagt PwC-Experte Probst. Der einfachste Weg, die Zoll-Last zu senken, besteht darin, die Sistierung des Länderzolls zu nutzen und die Lager in den USA aufzufüllen.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Zudem gibt es im Zollwesen vier Stellschrauben: die Klassifizierung der Waren mit der richtigen Tarifnummer, die Deklaration des Ursprungslands, die Zollwertbemessung – also die Festlegung des Warenwerts unter Einbeziehung von Kaufpreis, Transportkosten und Versicherungsgebühren – sowie das anwendbare Zollverfahren.
Firmen erfassen oft mangelhaft ihre Warenströme
«Um die Zollkosten zu optimieren, muss ich wissen, was ich wo produziere», sagt Hevin Demir, die bei Deloitte das Global-Trade-Advisory-Team leitet. Genau hier hapere es bei vielen Firmen schon, denn oft seien in den internen Systemen die Materialien und Vorprodukte nicht mit der Zollnummer hinterlegt, auch das Ursprungsland werde nicht immer dokumentiert. «Die Analyse der Warenströme ist nicht trivial; wer früh digitalisiert hat, ist im Vorteil», sagt daher Mathias Bopp, Zoll- und Steuerexperte bei KPMG.
Jene Firmen, die ihre Warenströme analysiert haben, würden sich nun dem «Product Engineering» widmen, sagt Bopp. «Das bedeutet, die Wertschöpfung so auf die Standorte zu verlegen, dass die Produkt- und Zollkosten minimiert werden.» Zollkosten werden also zu einem Standortfaktor. Ein Beispiel dafür lieferte jüngst Lindt & Sprüngli. Um den kanadischen Strafzöllen zu entgehen, beliefert der Schweizer Schokoladekonzern kanadische Kunden nicht mehr aus den USA, sondern von Europa aus.
Firmen betreiben oft Multi-Sourcing, das heisst, sie können dasselbe Produkt aus verschiedenen Ländern beziehen. «Diese Firmen sind nun im Vorteil, weil sie ihr Sourcing so umstellen können, dass sie Vorprodukte aus Ländern mit tieferen Zollsätzen beziehen können», sagt Deloitte-Expertin Demir. Was aber nicht geht: Quasi fertige Waren in ein Land mit einem tieferen Länderzoll als die Schweiz zu schicken, wie etwa Grossbritannien, um dann von dort in die USA zu exportieren.
Wo findet der «Tarifsprung» statt?
Entscheidend zur Bestimmung des Ursprungslands ist die Frage, wo eine Ware einen substanziellen Bearbeitungsschritt erfahren hat. KPMG-Experte Bopp nennt es «Tarifsprung» – also die Frage, wo beispielsweise aus einer multifunktionalen Batterie ein Elektroauto wird. So konnten in einem früheren Fall Hersteller von Telefonen den China-Zöllen entfliehen, indem sie die Bauteile aus China in die Philippinen exportierten und die Geräte dort zusammensetzen liessen, bevor diese dann in die USA exportiert wurden.
Bei einer allfälligen Umstellung der Warenströme können Firmen vom sogenannten «First Sale for Export»-Prinzip profitieren, was hohe Zolleinsparungen verspricht. Ein Beispiel: Eine Schweizer Firma kauft in China eine Ware zum Preis von 10 Dollar und exportiert sie später in die USA zum Preis von 100 Dollar. Dank dem «First Sale for Export»-Zollverfahren kann der Schweizer Exporteur die Ware zum Einkaufspreis verzollen und nicht zum Verkaufspreis. «Derzeit gibt es eine grosse Nachfrage nach dem sogenannten First-Sale-Prinzip», stellt PwC-Experte Probst fest. Ein klassisches Beispiel ist die Textilindustrie, die ihre Waren aus Vietnam bezieht und in den USA nur den Einkaufspreis verzollt.
Welche Kosten herausgerechnet werden können
Experte Probst hat noch einen Tipp parat in Sachen Zollwert: «Hier gibt es die Möglichkeit, vom Warenwert gewisse Kosten herauszurechnen, die nicht direkt mit der Ware zu tun haben, wie die zentralen Kosten für HR, die IT oder das Finanzwesen.» Nicht erlaubt ist dagegen, Verkaufskommissionen oder Produktlizenzen abzuziehen.
Eine offene Frage betrifft Firmen, die ihre Waren an eine eigene US-Vertriebsgesellschaft liefern und dabei interne Transferpreise verrechnen. Können die zusätzlichen Zollkosten nicht vollständig auf den Endverkaufspreis überwälzt werden, stellt sich die Frage, ob der interne Transferpreis entsprechend gesenkt werden sollte – etwa um den zu versteuernden Gewinn der US-Gesellschaft stabil zu halten. Wird dieser reduzierte Transferpreis jedoch gleichzeitig als Einfuhrwert deklariert und angemeldet, kann es sein, dass die US-Zollbehörden die Preisanpassung nicht anerkennen. «Hier entstehen komplexe Zielkonflikte zwischen steuerlicher Planung und zollwertrechtlicher Anerkennung», sagt Hevin Demir.