Das Picknick am See: abgesagt. Der Grillplausch im Garten: fällt ins Wasser. Der Sommer zeigt sich dieses Jahr bekanntlich nicht gerade von seiner sommerlichsten Seite. Also ab ins Restaurant, wo es warm und trocken ist! Bloss: Auch das ist aktuell eine Herausforderung.
«Wir sind ab Mitte August wieder für Sie da», steht an manch einer Restauranttür. Betriebsferien. Ausgerechnet jetzt! Wo die Restaurants nach monatelangem Lockdown erst seit kurzem wieder arbeiten dürfen. Braucht es da wirklich schon wieder eine Pause?
Ja, findet Fabienne Schwaninger (29), Inhaberin des Cafés Kunterbunt in Winterthur ZH. Letzten Sommer hat sie durchgearbeitet. An manchen Tagen lag der Umsatz bei gerade einmal 300 Franken. Das deckt noch nicht einmal die Personalkosten.
Badi statt Kafi
«Wenn die Sonne scheint, wollen die Leute in die Badi, nicht ins Kafi», sagt Schwaninger. Dass der Sommer dieses Jahr sprichwörtlich ins Wasser fällt, konnte sie nicht vorhersehen.
Und selbst wenn das Geschäft im Sommer brummen würde: Schwaninger müsste trotzdem schliessen. «Ich habe nur zwei Bäckerinnen. Die wechseln sich ab, es gibt jeden Tag einen Früh- und einen Spätdienst. Wenn ich eine Bäckerin in die Ferien schicke, müsste die andere durcharbeiten. Das geht nicht.»
Auch Gregor Smolinsky (44) hat sein Edelrestaurant Sihlhalde im Thalwiler Ortsteil Gattikon ZH für drei Wochen dichtgemacht. Wie jeden Sommer. Selber ist Smolinsky gerade in Italien. «Wir sind ein Kleinbetrieb mit zehn Angestellten. Viele haben Kinder und wollen deshalb in den Schulferien freinehmen», sagt er.
Seine Angestellten hatten die Pause ausserdem dringend nötig, betont Smolinsky. «Seit dem Frühling machen wir 60-Stunden-Wochen. Mein Team steht kurz vor der Erschöpfung.» Nach der Sommerpause geht der Rummel gleich weiter. Das sieht Smolinsky an den vielen Reservationen, die er in den Ferien entgegennimmt. «Da kommt eine Wahnsinnsnachfrage auf uns zu. Wir können das nur stemmen, wenn wir fit sind.»
Sommerpause wegen Personalmangel
Warum also stellen Schwaninger und Smolinsky nicht einfach mehr Personal ein? Schwaninger bräuchte eine dritte Bäckerin, um die Betriebsferien zu umgehen. Aber das liegt finanziell nicht drin. «Wer weiss, ob nicht doch noch ein dritter Lockdown kommt», warnt sie.
Smolinsky sucht tatsächlich einen weiteren Koch, um das Team zu entlasten. Erfolglos. «Man kann inserieren. Man kann sich beim RAV melden. Es kommt gar nichts rein.» Die gesamte Branche ist vom Fachkräftemangel betroffen. Das war schon vor Corona so. Die Pandemie hat das Problem aber noch zugespitzt.
Gemäss einer Umfrage der Online-Personalplattform Coople vom Frühsommer will nur die Hälfte der Gastromitarbeiter ihrer Branche treu bleiben. Zu gross ist die Unsicherheit durch Corona. Zu schmerzhaft waren die finanziellen Einbussen. In der Kurzarbeit gab es nur 80 Prozent Lohn. Und auch das Trinkgeld blieb weg.
Der Personalmangel treibt heuer sogar Restaurants in die Sommerpause, die in anderen Jahren offen hatten. «Da sich die Personalsuche für die Ferienvertretungen als sehr schwierig erwiesen hat, haben wir uns schweren Herzens entschlossen, Betriebsferien zu machen», schreibt etwa das Restaurant zur Sonne aus Winterthur auf seiner Webseite.
Es gibt aber auch andere. Solche, die dem Sommerloch trotzen und geöffnet bleiben. Dazu gehört das Restaurant Trübli, gelegen mitten in der Winterthurer Altstadt. Geschäftsführer und Küchenchef Alexander Bindig (29) wollte den Kochlöffel nach gerade einmal zwei Monaten im Einsatz nicht schon wieder weglegen. «Wir haben unsere Gäste vermisst!»
Mit seinem Entscheid hatte Bindig offenbar das richtige Händchen: «Es ist der mit Abstand beste Sommer, den ich je erlebt habe. Wir sind praktisch jeden Abend voll ausgebucht. Wir sind selber überrascht.» Bindig erklärt sich das damit, dass viele Leute in der Schweiz Ferien machen statt im Ausland.
Ganz auf Betriebsferien verzichten kann aber auch Bindig nicht. Der Betrieb macht einfach in den Herbstferien dicht. «Vielleicht fliegen die Leute dann ins Warme.»
Ferienanspruch trotz Lockdown
Casimir Platzer (58) war während der Lockdowns fast so häufig in den Medien zu sehen wie Bundesrat Alain Berset (49). Platzer ist Präsident des Branchenverbands Gastrosuisse. Er forderte stets und lautstark die Wiedereröffnung der Beizen. Ist er jetzt nicht enttäuscht, wenn die Wirte gleich reihenweise in die Sommerferien verschwinden? Ganz im Gegenteil sogar. «Es gibt 30'000 Restaurants in der Schweiz. Ich schätze, dass 28'000 davon heute geöffnet haben. Wer auswärts essen will, der findet auch einen Wirt, der sich freut!»
Platzer erinnert daran, dass die Beizer auch ihren Pflichten als Arbeitgeber nachkommen müssen. Denn der Lockdown zählt nicht als Ferien. Die Angestellten haben ihre vier oder fünf Wochen Ferien also weiterhin zugute. «Das mag paradox erscheinen. Aber es ist gesetzlich so geregelt. Die Betriebe müssen ihren Angestellten diese Ferien auch geben.»