Nur noch wenige Tage bis zum Auftakt der Fussball-Weltmeisterschaft in Katar – die Schweizer Fussball-Nati steigt am 24. November gegen Kamerun ins Turnier. Packen jetzt dann viele Schweizer Fans die Koffer?
Es sieht nicht danach aus. René Aeschbacher, Chef des Berner Sportreiseveranstalters Destination Travel, erklärt: «Da es keine Hotels zu zahlbaren Konditionen gab und mindestens 13 Nächte garantiert werden mussten, haben wir uns gegen eine Ausschreibung von Angeboten für Katar entschieden. Wir unterbreiten auf Anfrage individuelle Angebote. Wir haben nur sehr wenige Buchungen.»
Auf einem Schiff zu übernachten, sei für Gäste von Destination Sports kein Thema gewesen. Es ist nämlich so, dass die Hotelzimmer in der katarischen Hauptstadt Doha mehrheitlich für Spieler, Funktionäre und Medien vorbehalten sind. Fans sollen auf Kreuzfahrtschiffen von MSC Cruises übernachten, for für die Dauer der WM als «Hotelschiffe» gechartert wurden. Inzwischen sind drei MSC-Schiffe dafür verchartert.
Immerhin: Hotels seien inzwischen zu normalen Preisen verfügbar, Flüge und WM-Tickets auch. Es gibt auch keine Mindestaufenthaltsdauer mehr. Flüge von Zürich nach Doha gibt es während der WM-Zeit aktuell für zwischen 1000 und 1300 Franken – je nachdem, ob man umsteigt oder nicht.
Alle Nati-Packages kamen weg
Zufrieden zeigt sich die Travelclub AG in Zürich, der offizielle Reisepartner des Schweizer Fussballverbands. Laut Geschäftsführer Victor Tinari wurden die im Mai 2022 lancierten Pauschalarrangements (Flug, Hotel und Match-Ticket) sehr gut nachgefragt. Es wurden Päckli für alle drei Spiele der Schweiz sowie auch für zwei Spiele oder nur eines verkauft. Die Nachfrage war vor allem für die Spiele gegen Kamerun und Brasilien gross, etwas tiefer für das Spiel gegen Serbien. Inzwischen sind alle Nati-Packages ausverkauft.
Tinari habe bei seiner Kundschaft auch keine Vorbehalte gegenüber der Übernachtung auf Schiffen gespürt. Er sieht einen Vorteil darin, garantierte Übernachtungsplätze auf den Schiffen anbieten zu können: «Selbstbucher werden es infolge der knappen Hotelbetten schwierig haben.» Dass für den Travelclub das WM-Business aufgeht, hat auch damit zu tun, dass andere übliche Anbieter bei Katar nicht mitmachen. Allfällige Anfragen werden oft an den Travelclub weitergeleitet.
Tinari hält auch fest, dass die homophoben Aussagen des WM-Botschafters keine Annullationen gezeitigt hätten: «Wer nach Katar reist, ist sich dieser Problematik bewusst. Die Aussagen waren einfach neues Futter für die Boykott-Befürworter.» Laut Aeschbacher gab es auch bei Destination Sports keine Reaktionen auf die Aussagen.
Ungutes Gefühl bei vielen Fans
Tinari räumt aber ein, dass einige Fans sich kritisch zur WM geäussert haben. Bekanntes Beispiel ist etwa Nati-Superfan Luca Loutenbach: Dieser verzichtet auf den Katar-Besuch, weil dieser gegen seine Wertvorstellungen verstösst. Auch Aeschbacher spürte Vorbehalte von Kunden, die eigentlich immer an WM- oder EM-Spiele reisen. Mit Folgen: «Die Nachfrage ist nicht vergleichbar mit anderen Turnieren. Es hat deutlich weniger Schweizer Fans. Viele gingen vermutlich auch von falschen Preisvorstellungen aus.» Tinari erklärt seinerseits, dass Travelclub rund 20 Prozent weniger Gäste nach Katar schicke als zu den Turnieren in Russland oder Brasilien. Dass viele Schweizer selber gebucht haben, ist fraglich.
Die WM in Katar stand seit Anbeginn in der Kritik. Die Vorwürfe: Korruption bei der Vergabe durch die Fifa, unmenschliche Arbeitsbedingungen für Stadion-Bauarbeiter, strenge Regeln vor Ort, Durchführung im Winter. Immerhin: Die Infrastruktur ist top modern und die Wege sind so kurz wie noch nie an einer WM.