In knapp drei Wochen beginnt die WM. Doch Fussball-Euphorie kommt hierzulande nicht auf. Der Unrechtsstaat Katar als Austragungsort drückt bei vielen Fussballfans auf die Stimmung.
«Mit Katar suhlt sich ein Land im Glanz der Spiele, das keine Fussballkultur hat, in dem es viel zu heiss ist für Spieler und Publikum und das den Zuschlag auch dank Korruption erhalten hat», sagt SP-Nationalrat und oberster Sport-Parlamentarier Matthias Aebischer (55, BE) im Blick-Interview. «Hinzu kommt die unerträgliche Menschenrechtssituation.» Da halte sich die Vorfreude in Grenzen.
Maurer reist nach Katar
Nicht so bei SVP-Finanzminister Ueli Maurer (71). Der frühere Sportminister wird sich in Katar das Spiel Schweiz–Brasilien vom 28. November anschauen, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Voraussichtlich als einziger Bundesrat, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Maurer plant Ende November sowieso eine Arbeitsreise in den Nahen Osten, weshalb er einen Trip nach Katar anhängt.
Weitere Teilnahmen neben Maurer seien zurzeit nicht vorgesehen, heisst es seitens der Bundeskanzlei. Das könne sich gegebenenfalls ändern und sei auch abhängig von den jeweiligen Agenden der Departementsvorsteher.
Sportministerin bleibt daheim
Sportministerin Viola Amherd (60) verzichtet definitiv auf einen WM-Besuch, wie es bei ihrem Departement heisst. Sie werde die Schweizer Mannschaft von zu Hause aus unterstützen. Zu den Gründen für das Fernbleiben von Amherd machte das VBS keine Angaben.
Ob nicht doch noch ein weiteres Bundesratsmitglied an die WM reist, hängt auch von den Leistungen der Schweizer Nati ab. Übersteht sie die Gruppenphase und zieht sie gar in die Viertel- oder Halbfinals ein, könnte es doch noch zum einen oder andern WM-Trip kommen. Gut möglich, dass dann etwa Bundespräsident Ignazio Cassis (61) den Spielen seine Aufwartung macht.
Boykotte-Aufrufe wegen Menschenrechten
Die Fussball-WM wird vom 20. November bis 18. Dezember ausgetragen. Eine offizielle Vertretung von Regierungen in Katar ist nicht unumstritten. Nichtregierungsorganisationen werfen dem Emirat vor, Mindestanforderungen bei Menschenrechten nicht einzuhalten. Besonders prekär ist auch die Lage unter den vor allem aus Nepal, Pakistan, Indien, Bangladesch und den Philippinen stammenden Niedriglohnarbeitern, die oft unter sklavenartigen Bedingungen arbeiten.
So gibt es denn auch Aufrufe, die WM zu boykottieren. Nicht nur vor Ort, sondern auch zu Hause am Fernseher oder beim Public Viewing. Während SP-Nationalrat Aebischer die WM nur «mit angezogener Handbremse» verfolgt, drückt die Berner SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (43) gleich voll aufs Bremspedal.
«Bald beginnt sie, die erste WM, die ich boykottiere», schreibt sie mit Verweis auf die Menschenrechtslage in Katar auf Twitter. Der Verzicht ist für die Spielerin des FC Helvetia, dem Frauen-Team des Parlaments, nicht ganz einfach. Als grosser Fussballfan mache sie schweren Herzens beim WM-Boykott mit. «Aber es ist das einzig Richtige.» (rus/SDA)