Nach dem grünen Winter, in die weisse Zukunft?
Bergbahnen gehen mit 100 Millionen in Aufrüstungsoffensive

Der schneearme Winter war ein Fingerzeig für die Bergbahnen: Ohne technische Beschneiung steht das Wintergeschäft mehr und mehr auf der Kippe. Viele Skigebiete planen deshalb Millionen-Investitionen.
Publiziert: 13.03.2023 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2023 um 10:39 Uhr
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Die Bergbahnen Lenzerheide wollen 30 Millionen Franken in die Beschneiungsinfrastruktur investieren.
Foto: Lenzerheide Bergbahnen AG
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Die Schweizer Bevölkerung fährt voll aufs Skifahren ab. Gemeinsam mit den Gästen aus dem Ausland sorgten sie im Winter 2021/2022 für 25,4 Millionen Skitage im Skiland Schweiz. Dabei zählt jede bezahlte Eintageskarte als Skitag.

Das sind so viele wie seit Jahren nicht mehr. Doch der aktuelle Winter wird für einen deutlichen Einbruch sorgen. Der akute Schneemangel trocknet gerade bei kleineren Skigebieten in tieferen Lagen das Geschäft aus.

Der aktuelle Winter ist ein Extremfall, aber auch ein Fingerzeig in eine schwierige Zukunft. Ohne künstliche Beschneiung wird im Wintersport kaum mehr etwas gehen. Auch nicht in hochalpinen Skigebieten wie Arosa Lenzerheide GR. «Wir sehen in diesem Winter erneut, wie wichtig die technische Beschneiung ist», sagt Thomas Küng (41), CEO der Bergbahnen Lenzerheide.

Massnahmen gegen den Klimawandel

Eine Blick-Umfrage unter den Schweizer Bergbahnen zeigt, dass die Branche in den nächsten Jahren mehrere Dutzend Millionen Franken in ihre Beschneiung investieren will – insgesamt 100 Millionen. Die Bergbahnen Lenzerheide sind Spitzenreiter. 30 Millionen Franken sollen dort in den nächsten fünf Jahren in die Beschneiungsinfrastruktur fliessen.

«Ein paar wichtige Verbindungspisten ohne technische Beschneiung haben uns ziemlich beschäftigt», sagt Küng zum aktuellen Winter. Diese Abschnitte wollen die Bahnen nun nachrüsten. Zudem sollen die Leistung der Anlagen erhöht und die Wasserversorgung verbessert werden – hier besteht derzeit bei der Beschneiung vor der Saison ein Engpass. Ein grösserer Speichersee würde das Problem lösen. «Mit diesen Massnahmen können wir dem Klimawandel begegnen. Im Gegensatz zu früher sind wir bereits heute viel weniger auf Naturschnee angewiesen», so Küng.

Ist das Skigebiet zu, leiden alle

Dass die Bergbahnen in der Schweiz zum Winterstart nicht auf Naturschnee angewiesen sind, ist für das Überleben der Branche zentral. Das Wintergeschäft ist nach wie vor die wichtigste Einnahmequelle. Und ohne Schneesicherheit haben auch die Sportgeschäfte, Hotels und die Gastronomie ein Problem.

Nun steht eine Investitionsoffensive an: Die Bergbahnen Obersaxen Mundaun GR wollen die Beschneiung für fünf bis zehn Millionen Franken ausbauen und zusätzliche, derzeit kritische Pisten beschneien. In Vals GR sind es drei Millionen Franken. Die Bergbahnen Crans-Montana VS rüsten für zehn Millionen Franken auf. Jene in Verbier VS und in Nendaz VS wollen je 5,5 Millionen Franken investieren. Und auch die Jungfrau Skiregion BE macht für die nächste Saison eine weitere Piste schneesicher.

Österreich und Südtirol beschneien mehr Fläche

Im Kanton Wallis sind gemäss Umfrage Investitionen von über 40 Millionen Franken vorgesehen. Im Graubünden sind es sogar fast 50 Millionen Franken. Hinzu kommen mehrere Millionen Franken im Berner Oberland und in den anderen Wintersportkantonen. Die Bahnen versuchen vor allem wichtige Lücken im Pistennetz zu schliessen. Viel Geld fliesst auch in die Modernisierung bestehender Anlagen.

Anfang Jahrtausend konnten die Skigebiete in der Schweiz gerade mal sieben Prozent der Pistenflächen beschneien. Mittlerweile beläuft sich der Anteil auf 54 Prozent. Bei den grossen Wintersportkonkurrenten Österreich sind es 70 Prozent, in Südtirol gar 90 Prozent. Viele Schweizer Skigebiete profitieren von ihrer Höhe und damit mehr Schneesicherheit. Trotzdem müssen auch sie in Zukunft weiter aufrüsten.

Die schwierige Finanzierung

Die Beschneiungsinfrastruktur ist teuer. Ein Pistenkilometer kostet gemäss Faustregel eine Million Franken. Neue Speicherseen wie im Fall der Lenzerheide schenken finanziell besonders ein. Die Bergbahnen sollten die Investitionen aus eigener Kraft stemmen können, wie Küng sagt.

Die Finanzlage bei vielen Bergbahnen ist aber alles andere als rosig und die Millioneninvestitionen eine Knacknuss. Erfüllen Bahnbetriebe die wirtschaftlichen Kriterien, können sie dafür auf vergünstigte Darlehen vom Bund hoffen. In Tourismuskantonen wie dem Wallis, Graubünden oder Bern springen auch die Kantone als Kreditgeber ein. Trotzdem müssen sich die Bahnen nach der Decke strecken. So ist bei den Lauchernalp Bergbahnen im Walliser Lötschental noch offen, wie viel Geld Ende Saison für neue Schneekanonen und -lanzen zur Verfügung steht. Ein Schicksal, das mehrere andere Bahnen teilen.

Das kleine Skigebiet Melchsee-Frutt in Obwalden muss die Investitionen wegen der fehlenden Beteiligung des Kantons und Bundes beispielsweise vollständig aus eigenen Mitteln stemmen. Wer nicht investieren kann, muss den Fokus auf alternative Angebote legen. Das Skigebiet Rigi in Schwyz und Luzern setzt im Winter vermehrt auf weniger schneeabhängige Angebote wie Schneeschuhlaufen. Andere bauen das Sommergeschäft aus und hoffen darauf, dass die nächsten Winter wieder mehr Schnee und Einnahmen bringen.

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