Hier ist der Diesel so günstig wie fast nirgendwo
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1.60 Fr pro Liter:Hier ist der Diesel so günstig wie fast nirgendwo

Nach Blick-Recherche fordert Ex-Weko-Vize Roger Zäch (82) eine Prüfung der Margen
Diesel-Abzocke ist ein Fall für den Preisüberwacher!

Der Luzerner Markus Gasser (53) legte im Blick die enormen Margen der grossen Tankstellenbetreiber offen. Dass diese so viel am Diesel verdienen, kommt bei Automobilisten nicht gut an. Jetzt wird der Ruf nach Wettbewerbshütern und dem Preisüberwacher laut.
Publiziert: 21.07.2021 um 01:28 Uhr
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Aktualisiert: 21.07.2021 um 10:21 Uhr
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Markus Gasser: Tankstellen-Unternehmer in vierter Generation – jetzt packt er aus.
Foto: STEFAN BOHRER
Patrik Berger und Nicola Imfeld

Pünktlich zur Reisezeit im Sommer sind Benzin und Diesel wieder besonders teuer. 1.80 Franken kostet der Liter Diesel im Schnitt. Das macht 90 Franken für eine Tankfüllung. Die Profiteure sind die Betreiber der Tankstellen. Die Grossen verdienen sich im Sommer eine goldene Nase mit dem schwarzen Gold, wie Blick publik gemacht hat. 40 Rappen pro Liter fliessen in den eigenen Sack. Nur 20 Rappen bleiben dem Tankstellenbetreiber Markus Gasser (53). Auf seinem Recycling-Hof in Dagmersellen LU gibts den Liter Diesel nämlich für 1.60 Franken. Er betreibt die vielleicht billigste Tankstelle der Schweiz. Bleifrei 95 und 98 verkauft er nicht.

Die Blick-Recherche hat grosse Diskussionen ausgelöst. «Uns hat das Ausmass erstaunt, wie hoch die Margen bei den Grossen aktuell sind», sagt Beat Niederhauser (50), Stellvertreter des Preisüberwachers Stefan Meierhans (52). «Es ist natürlich unschön, falls die Kunden konzentriert zur Ferienzeit geschröpft werden. Gerade zur Ferienzeit.» Er gibt aber zu bedenken: «Wir können uns nicht weiter dazu äussern. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Kunden dort einkaufen, wo es ihnen am besten passt.»

Nicht genügend Hinweise für Preisabsprachen

Die Wettbewerbskommission Weko beschäftigt das Thema seit Jahren. «Wir beobachten den Markt für Treibstoffe und haben immer wieder Hinweise auf mögliche Preisabsprachen erhalten», sagt Weko-Sprecher Patrik Ducrey. Solchen Hinweisen sei man regelmässig nachgegangen. «Gleiche Preise müssen nicht das Ergebnis einer Preisabsprache sein, sie können auch das Ergebnis von Wettbewerb sein», gibt er aber zu bedenken.

Die Wettbewerbshüter stellten schon fest, dass es erhebliche regionale Preisunterschiede gibt – «auch solche zwischen Autobahn- und anderen Tankstellen», wie Ducrey sagt. «Nach unserer Einschätzung sind die unterschiedlichen Preise die Folge des nicht überall gleich intensiven Wettbewerbs.»

Bislang konnte die Weko nicht genügend Hinweise auf Preisabsprachen von marktbeherrschenden Unternehmen finden, die die Eröffnung eines Verfahrens gerechtfertigt hätten. Die Wettbewerbshüter bleiben aber dran. «Wir werden den Treibstoffmarkt weiterhin beobachten und eingreifen, wenn wir die Anhaltspunkte für Abreden oder den Missbrauch von Marktmacht als erfüllt ansehen.»

«2003 gab es keine Absprachen»

Roger Zäch (82), emeritierter Rechtsprofessor der Universität Zürich, war 2003 dabei, als die Weko die Benzinpreise untersuchte. «Wir kamen damals zum Schluss, dass es keine Absprachen gab», sagt er. Zäch war von 1996 bis 2007 Vizepräsident der Schweizerischen Wettbewerbskommission.

«Wenn die Preise nicht das Ergebnis von wirksamem Wettbewerb sind, sollte der Preisüberwacher die Preise auf Missbräuchlichkeit überprüfen», fordert Zäch. Es könne dann aber sehr wohl auch sein, dass der Preisüberwacher zum Schluss kommt, dass die Marge gar nicht zu gross ist. «Etwa weil grössere Tankstellen Geld in einen Shop investieren oder deutlich höhere Personalkosten haben», führt Zäch aus.

«Wir zahlen eine Milliarde zu viel»

Seit fast acht Jahren beobachtet Stefan Hess (67) den Markt. Der ehemalige Banker vergleicht akribisch die Spritpreise seiner Tankstelle in Rotkreuz ZG und einer Total-Tanke bei Frankfurt am Main (D), wo er früher regelmässig geschäftlich pendelte. Und überträgt sie in eine Excel-Tabelle und sammelt Beweise. «Die Unterschiede auf einer steuerneutralen Basis sind wie Tag und Nacht», sagt er zu Blick.

«Wir alle zahlen 15 bis 20 Rappen zu viel pro Liter», rechnet er vor. «Im Jahr ist das in der Schweiz eine Milliarde Franken.» Er habe Kontakt zu Politikern aufgenommen, um an diesem Missstand etwas zu ändern. «Das Interesse in Bern oben war aber klein.»

Staat wehrt sich nicht gegen höheren Preis

Doch wo liegt denn der faire Preis für einen Liter Diesel? «Wenn Sie irgendwo zwischen 1.65 Franken und 1.70 Franken tanken können, dann sollten Sie das tun», rät der pensionierte Händler, der Devisen und Edelmetall für grosse Banken gehandelt hatte.

Jetzt ist Monsieur Prix Meierhans in der Pflicht. Weil die Weko in der Vergangenheit mögliche Absprachen untersuchte und keine Beweise dafür fand, seien dem Preisüberwacher die Hände gebunden, sagt Niederhauser. «Es liegt nicht in unserer Kompetenz.»

Aufruf: Sie tanken noch billiger?

Füllen Sie Ihren Dieseltank noch günstiger? Dann verraten Sie uns, wo. Blick sucht mit Hilfe der Leserinnen und Leser Dieselpreisbrecher in der Schweiz. Fotografieren Sie die Tankstelle mit Preistafel – am besten gleich mit sich selber auf dem Foto. Schreiben Sie den Namen der Tankstelle mit Adresse dazu – und vergessen Sie Ihren eigenen Namen, Ihre Adresse und Handy-Nummer nicht! Nutzen Sie dazu die Leserreporterfunktion ihrer Blick-App oder schicken Sie das Foto via Whatsapp auf +41 79 608 03 49. Wir würden gerne von Ihren Erfahrungen berichten.

Füllen Sie Ihren Dieseltank noch günstiger? Dann verraten Sie uns, wo. Blick sucht mit Hilfe der Leserinnen und Leser Dieselpreisbrecher in der Schweiz. Fotografieren Sie die Tankstelle mit Preistafel – am besten gleich mit sich selber auf dem Foto. Schreiben Sie den Namen der Tankstelle mit Adresse dazu – und vergessen Sie Ihren eigenen Namen, Ihre Adresse und Handy-Nummer nicht! Nutzen Sie dazu die Leserreporterfunktion ihrer Blick-App oder schicken Sie das Foto via Whatsapp auf +41 79 608 03 49. Wir würden gerne von Ihren Erfahrungen berichten.

So setzt sich der Dieselpreis zusammen

Ein Liter Öl auf dem Weltmarkt kostet aktuell weniger als 50 Rappen. Wie also kommt die Differenz von 1.30 Franken zum aktuellen Dieselpreis zustande? Rund 95 Rappen davon fliessen via Mineralöl- und Mehrwertsteuer an den Staat. Bleiben rund 45 Rappen. Diese verwenden die Händler für die Verfrachtung auf Containerschiffen an die Basler Rheinhäfen, für den Transport innerhalb der Schweiz und nicht zuletzt für ihr Marketing. Dass Benzin- und Dieselpreise täglich schwanken, hängt mit dem Weltmarkt zusammen: Selbst kleine Veränderungen an der Börse, bei den Frachtpreisen und im Wechselkurs zwischen dem Schweizer Franken und dem US-Dollar, beeinflussen den Preis am Zapfhahn.

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