Die Schweiz ist auf Achse. Es kommt regelmässig zu kilometerlangen Staus. Der Kofferraum ist bis unters Dach voll. Der Tank: nach einigen Hundert Kilometern leer.
50 Liter passen in der Regel in einen normalen Kombi, etwa einen Skoda Octavia. 1.80 Franken kostet der Diesel derzeit im Schnitt. Das macht 90 Franken für eine Tankfüllung – ausser man tankt an grossen Autobahn-Raststätten. Etwa beim Mövenpick-Fressbalken in Würenlos AG. Dann kostet der Liter gut und gerne fast 1.90 Franken, eine Tankfüllung stolze 95 Franken.
Günstiger weg kommen Reisende bei Markus Gasser (53). Er betreibt die vielleicht billigste Tankstelle im Land. Auf seinem Recycling-Hof in Dagmersellen LU steht eine Säule mit fünf Zapfpistolen. Darüber ein kleines Aluminiumdach. Benzin gibt es nicht, nur Diesel. Der Liter kostet 1.60 Franken. Er unterbietet damit den Preis bei der 50 Kilometer entfernten Autobahntankstelle Würenlos um fast 30 Rappen.
«Fantasiepreise» für Diesel
Gasser verdient trotzdem gutes Geld, wie er sagt. Er kauft den Liter für knapp über 1.40 Franken ein. 33’000 Liter umfasste die letzte Lieferung, sie waren innert Tagen weg. Die Preise der grossen Tankstellenbetreiber geisselt Gasser als «Fantasiepreise».
Auch andere Unternehmer stört derzeit, dass so mancher Tankstellenbetreiber schamlos abkassiert und die Margen in den letzten Monaten in den Himmel wuchsen.
«Die Margen sind sehr hoch», sagt auch der Unternehmer Daniel Schöni (50), Chef des gleichnamigen Familienbetriebs aus Rothrist AG. Schöni ist ein Schwergewicht auf der Nord-Süd-Achse, eine grosse Nummer im Transport-Business. Er hat Hunderte Angestellte, ist weltweit tätig, die Lastwagen fahren zum grossen Teil noch ganz klassisch mit Diesel. Den Most kauft er selbst ein. Die Preise dafür seien zum Teil «noch nicht mal bei 1.40 Franken je Liter», sagt der Unternehmer.
Die Zahlen von Gasser und Schöni zeigen: Bei einem Durchschnittspreis von 1.80 Franken kassiert ein Tankstellenbetreiber knapp 40 Rappen pro Liter. Bei Preisen von 1.90 Franken, wie sie an Autobahnraststätten oder in der Region um den Genfersee durchaus üblich sind, sogar fast 50 Rappen pro Liter.
«Generell erhöhte» Preise
Das heisst im Klartext: Die grossen Tankstellenbetreiber verdienen sich im Sommer eine goldene Nase mit dem schwarzen Gold. Die Brutto-Marge einer Octavia-Tankladung liegt bei über 20 Franken. «Erstaunlich hoch», findet Gasser. Die Betreiber selbst sehen das naturgemäss anders.
Die Genossenschaft Avia, mit über 500 Tankstellen der Primus der Branche, meint, die Preise würden «an der Säule individuell nach den konkreten Beschaffungspreisen und den regionalen Marktgegebenheiten» festgesetzt.
Agrola, die Fenaco-Tochter und Nummer zwei im Tankstellenland, meint, sie habe keinen Einfluss auf die Preisgestaltung. Die Endpreise würden von der lokalen Landi festgelegt. Der Mineralölzweig der Coop-Gruppe verweist auf die Beschaffungspreise und die «generell erhöhten» Rohölpreise. Und die Migrol-Verantwortlichen lassen eine Anfrage unbeantwortet.
Preisbrecher Gasser
Dafür nimmt der Verband der Erdölbranche ausführlich Stellung. Avenergy-Präsident Daniel Hofer (59), lange Zeit Chef der Migrol, spricht vom «Resultat eines funktionierenden Marktes, in dem die Preisbildung von Angebot und Nachfrage gesteuert wird»
.
Jede Tankstelle würde «in einem lokalen Marktumfeld» agieren, sagt Hofer. Dieses werde «im Wesentlichen von den Verkehrsströmen, den Liegenschaftspreisen und dem vorhandenen Wettbewerb bestimmt».
Tatsächlich? Die Coop-Tankstelle bei der Autobahnausfahrt Dagmersellen, nur wenige Hundert Meter von Gassers Tankstelle entfernt, verlangt 1.80 Franken für den Liter Diesel – nationaler Schnitt. Und bei den drei Avia-Tankstellen im Nachbardorf Reiden LU präsentiert sich das identische Bild. Die Grossen verlangen durchs Band 20 Rappen mehr als Gasser. Das sind 10 Franken auf eine Octavia-Tankladung.
Ein Liter Öl auf dem Weltmarkt kostet aktuell weniger als 50 Rappen. Wie also kommt die Differenz von 1.30 Franken zum aktuellen Dieselpreis zustande? Rund 95 Rappen davon fliessen via Mineralöl- und Mehrwertsteuer an den Staat. Bleiben rund 45 Rappen. Diese verwenden die Händler für die Verfrachtung auf Containerschiffen an die Basler Rheinhäfen, für den Transport innerhalb der Schweiz und nicht zuletzt für ihr Marketing. Dass Benzin- und Dieselpreise täglich schwanken, hängt mit dem Weltmarkt zusammen: Selbst kleine Veränderungen an der Börse, bei den Frachtpreisen und im Wechselkurs zwischen dem Schweizer Franken und dem US-Dollar, beeinflussen den Preis am Zapfhahn.
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