Milliardenbeteiligungen und dubiose Oligarchen an Bord
So stark trifft der Krieg die Stadler-Konkurrenten Siemens und Alstom

Für die europäischen Zugbauer war der Osten rund um Russland lange ein interessanter Wachstumsmarkt. Nun stellen die dortigen Werke und Beteiligungen Stadler Rail, Alstom und Siemens vor grosse Probleme.
Publiziert: 14.03.2022 um 11:01 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2022 um 16:01 Uhr
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Turbulente Zeiten für Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler: Er hat durch die Verlagerung der Produktionskapazitäten alle Hände voll zu tun.
Foto: Natalia Fedosenko/TASS
Martin Schmidt

Die grossen europäischen Zugbauer sind durch den Ukraine-Krieg aus der Erfolgsspur geraten. Der Schweizer Patron Peter Spuhler (63) muss vorübergehend einen Grossteil der Produktion seiner Firma Stadler Rail von Belarus in die EU verlagern.

Die Sanktionen gegen den Russland-Verbündeten Belarus schränken den Materialtransport und damit die Arbeit im Werk massiv ein. «Zurzeit sind noch unter zwei Prozent des Auftragsbestands von rund 18 Milliarden Schweizer Franken im Produktionswerk in Fanipol in Abwicklung», sagt Stadler Rail auf Anfrage von Blick. Massgebliche Terminverzögerungen würden sich deswegen aktuell aber keine abzeichnen.

Siemens und Alstom in Oligarchen-Hand

Für das Personal in Fanipol – die Zahl der Angestellten wurde bereits in den letzten Monaten um rund 400 auf 1100 Personen reduziert – ist die Verlagerung jedoch ein harter Schlag. Der Abbau geht noch weiter. «Der aufgrund der Verlagerung von Aufträgen und die unsichere politische Situation zwangsläufig erforderliche weitere Stellenabbau erfolgt wo möglich mit Kurzarbeit sowie im Rahmen eines Sozialplans.» Man prüfe auch die Möglichkeit, Mitarbeitende aus Belarus in anderen Werken einzusetzen.

Auch Spuhlers Konkurrenten stehen wegen dem Ukraine-Krieg stark unter Strom. Alstom und Siemens Mobility halten Anteile an russischen Schienenfahrzeugbau-Konzernen, die in den Händen von Oligarchen liegen.

Oligarchen der Geldwäscherei verdächtigt

Der französische Konzern Alstom ist mit 20 Prozent am russischen Schienenfahrzeugbauer Transmashholding beteiligt, das den beiden russischen Oligarchen Iskander Makhmudov (58) und Andrei Bokarev (55) gehört. Die beiden Namen tauchen bis anhin zwar nicht auf der Liste der durch die EU sanktionierten Oligarchen auf. Makhmudov und Bokarev stehen jedoch im Verdacht, über ihre Unternehmen in der EU Schwarzgeld gewaschen zu haben, wie die niederländische NGO NHC in einem Bericht vom letzten Jahr festhält.

Alstom will sich gegenüber Blick nicht zu den beiden Miteigentümern Makhmudov und Bokarev äussern. Eine entsprechende Anfrage an die Transmashholding bleibt unbeantwortet. Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen könne man aktuell ebenfalls nichts sagen, so Alstom: «Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass unser Fokus derzeit auf der Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ukraine und in Russland liegt.»

Bis vor Kurzem sah die Branche im russischen Eisenbahnmarkt noch ein grosses Wachstumspotenzial. Doch das könnte sich nun ändern. Die Sanktionen gegen Russland werden die Wirtschaft des Landes nachhaltig schädigen. Russland verliert als Wirtschaftsstandort bei Unternehmen und Investoren bereits deutlich an Attraktivität.

Bei Alstom macht man sich ebenfalls Gedanken über die Beteiligung an der Transmashholding. «Über eine mögliche Veräusserung des Anteils an TMH wurde keine Entscheidung getroffen. Wir beobachten die Situation und ihre Auswirkungen auf TMH genau», sagt Alstom.

Auch Siemens mit Oligarch im Geschäft

Der deutsche Konkurrent Siemens ist an der Schienenfahrzeugproduktion der russischen Sinara-Group beteiligt, bei der der russische Oligarch Dmitry Pumpyanskiy (57) grosse Anteile hält. Pumpyanskiy steht seit dem 9. März auf der EU-Sanktionsliste. Die Bahnsparte von Sinara generiert einen Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Franken.

«Seitens Siemens Mobility verfolgen wir die jüngsten Entwicklungen mit grosser Sorge», sagt Siemens auf Nachfrage. Zur Sinara-Group will sich der Konzern nicht äussern. Dies sei aufgrund der sich «schnell ändernden Lage und der Komplexität der Sanktionsmassnahmen» nicht möglich. Einen möglichen Verkauf der Sinara-Anteile lässt Siemens ebenfalls unkommentiert.

Sinara umging Sanktionen bereits auf der Krim

Oligarch Pumpyanskiy gilt als enger Freund Putins und hat mit der Sinara-Group bereits 2017 Technologie-Sanktionen gegen die Krim umgangen und Maschinen dorthin geliefert. Die europäischen Firmen sind in Russland den regierungsnahen Oligarchen ausgeliefert. Siemens Mobility hat jüngst entschieden, Neugeschäfte und internationale Lieferungen nach Russland und Belarus einzustellen.

Dass sich die Sinara-Group diesmal an alle Sanktionen hält, dürfte aber wohl ausserhalb des Einflussbereichs von Siemens liegen. «Selbstverständlich setzen wir alle Sanktionen und Exportkontrollbestimmungen konsequent um», betont Siemens auf Nachfrage.

Siemens ist in Russland auch sonst omnipräsent. 2011 eröffnete der Konzern in Moskau einen gewaltigen Bürokomplex mit rund 1300 Beschäftigten. Zudem baut Siemens gemeinsam mit der Sinara-Group über eine Tochtergesellschaft in Russland 13 Hochgeschwindigkeitszüge für 1,1 Milliarden Franken.

Aktienkurse der Zugbauer brechen ein

Alstom und Siemens Mobility sind mit einem Umsatz von jeweils 8,8 Milliarden Franken hinter dem chinesischen Branchenführer CRRC die grössten Player in der Branche. Doch die Transmashholding hat in den letzten Jahren deutlich aufgeholt und generiert ebenfalls knapp 6 Milliarden Umsatz. Stadler Rail steht bei gut 3,5 Milliarden Franken und wird am Dienstag über das Geschäftsjahr 2021 rapportieren.

Stadler Rail kann sich aktuell darüber freuen, keine Aufträge aus Russland in seinen Büchern zu haben, bei denen Zahlungsausfälle oder andere Probleme zu erwarten wären. Bei Alstom machen die Direktverkäufe nach Russland abseits der Tochtergesellschaft derzeit weniger als 0,5 Prozent des Umsatzes aus.

Doch die Börse dreht bei den Schienenfahrzeugbauern aufgrund der Unsicherheiten am Rad. Die Aktie von Stadler Rail ist innert Monatsfrist um 18 Prozent abgesackt. Bei Alstom ging es im gleichen Zeitraum gar um gut 28 Prozent bergab. Der von den Produkten her breiter aufgestellte Siemens-Konzern büsste rund 15 Prozent ein.

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