Bund, Banker und Politiker wurden von den Ereignissen überrumpelt: Von Beteuerungen, dass die Credit Suisse solide dasteht, bis zur Bekanntgabe der Notrettung am 19. März 2023 lagen nur wenige Tage. An jenem Sonntag mussten auch die CS-Aktionäre eine bittere Pille schlucken. Zwei Tage zuvor war die Aktie 1.86 Franken wert – so wenig wie noch nie. Die UBS kaufte die Bank schliesslich für 76 Rappen pro Papier. Neben dem Ärger über die finanziellen Verluste fühlten sich viele Aktionäre um ihr Mitspracherecht betrogen. Einer der Übergangenen ist Sebastian B.* (36) aus Nyon VD, der anonym bleiben möchte. «Das war schon eine grosse Überraschung, wie das alles abgelaufen ist», sagt er zu Blick.
B. hat sich einer Sammelklage von CS-Aktionären gegen die UBS angeschlossen. Das juristische Start-up Legalpass hat diese am Montag beim Handelsgericht Zürich eingereicht. Mehr als 3000 ehemalige CS-Aktionäre machen mit und haben unterschrieben. Wobei es im Schweizer Recht keine Sammelklagen gibt. Prozesspartei ist also ein einzelner Aktionär.
Alle Aktionäre würden profitieren
Sie haben jedoch ein gemeinsames Ziel: Sie wollen eine «angemessene Entschädigung» bei der Zwangsübernahme der Grossbank durch die UBS erhalten. «Die Einleitung des Gerichtsverfahrens wurde am 14. August 2023 im Auftrag von Legalpass durch Rechtsanwalt Andreas Hauenstein von der Zürcher Anwaltskanzlei Baumgartner Mächler an das Handelsgericht Zürich weitergeleitet», teilt Legalpass mit.
Bei der Übernahme erhielten die Aktionäre für 22,48 Credit-Suisse-Aktien eine UBS-Aktie. Das entsprach am 19. März einem Kaufpreis von rund 3 Milliarden Franken. Am letzten Börsentag vor der Ankündigung war die CS am Aktienmarkt allerdings mit 7 Milliarden und damit mehr als doppelt so hoch bewertet gewesen.
Mehr zur CS-Übernahme
Bei B. ist der Fokus ein anderer, wie er sagt. Er sei sehr lange Aktionär der Credit Suisse gewesen. «Es geht mir bei der Klage nicht ums Geld. Ich will Antworten», betont er. «Der Bundesrat hat in diesem unglaublich komplexen Dossier innert kürzester Zeit eine Lösung präsentiert und diese den Aktionären aufgezwungen. Dabei stellen sich viele Fragen. Beispielsweise, ob hier wirklich alles sauber abgelaufen ist und alle Gesetze eingehalten wurden. Oder wurden vielleicht doch Rechte der Aktionäre verletzt?» Die Sammelklage soll diese Antworten liefern.
«Aussergerichtliche Einigung möglich»
Die Sammelklage beruft sich auf das Fusionsgesetz. Dieses sehe eine Klage zur «Prüfung des Umtauschverhältnisses» vor, damit die Aktionäre eine «angemessene Abfindung» für ihre Aktien verlangen könnten.
Für die Sammelklage sind die Legalpass-Gründer und Anwälte Philippe Grivat (33) und Alexandre Osti (36) zuständig. «Das Aktionariat der Credit Suisse wurde bei der GV nicht angehört, aber wir werden ihm vor Gericht eine Stimme geben», sagte Osti im Juli zu Blick. Die Anwälte sind bereit, mit dem Fall bis vors Bundesgericht zu gehen. «Aber auch eine aussergerichtliche Einigung ist möglich», so Grivat. Wobei bei einem Vergleich nur die 3000 Aktionäre profitieren, die mitgemacht haben. Das Angebot kostet für Kleinstaktionäre maximal 15 Rappen pro Aktie. Je mehr Aktionäre mitmachen, desto lukrativer ist die Klage zudem für das Start-up.
Vergleich soll verhindert werden
Nicht nur Legalpass ist mit einer Klage am Start. Auch der Schweizerische Anlegerschutzverband (SASV) hat geklagt. Rund 500 Aktionäre, darunter viele ehemalige CS-Mitarbeitende, möchten die UBS zur Kasse bitten. Das Angebot des SASV läuft zum Selbstkostenpreis.
Ganz kostenlos und nur mit Spenden funktioniert das Angebot der Initianten von notrecht.com. Der Baselbieter Anwalt Perica Grasarevic (39) hat mit Geschäftspartner Gordon Mickel (45) zusammengespannt und wie die anderen basierend auf dem Fusionsgesetz Klage eingereicht.
Grasarevic klagt als CS-Kleinstaktionär in seinem eigenen Namen. «Damit kann ich sicherstellen, dass es nicht zu einem aussergerichtlichen Vergleich mit den anderen Klägern kommt und es am Schluss gar kein allgemeinverbindliches Urteil gibt», sagt er.
*Name bekannt