Yannick (7) bekommt das Medikament nicht – weil es zu teuer ist
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Er lebt mit zystischer Fibrose:Yannick bekommt Medikament nicht – weil es zu teuer ist

Medikament kostet 200'000 Franken im Jahr
«Yannick soll früher sterben – für die Rolex der Pharma-Chefin»

Neue Tabletten versprechen Rettung für Kinder mit einer tödlichen Krankheit. Doch die Zulassung in der Schweiz steht auf der Kippe – wegen den Kosten.
Publiziert: 10.04.2022 um 00:42 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2022 um 09:44 Uhr
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Der siebenjährige Yannick Erne leidet an Zystischer Fibrose.
Foto: Thomas Meier
Danny Schlumpf

Die Diagnose kam zehn Tage nach Yannicks Geburt: zystische Fibrose. Die tödliche Erbkrankheit verschleimt die Lunge und zerstört sie.

Ein Schock für Yannicks Eltern. «In seinem ersten Lebensjahr musste unser Sohn achtmal in die Notaufnahme», sagt Claudia Erne (43). «Die Krankheit hemmte seine Entwicklung von Geburt an. Er war zu leicht und zu klein.»

Das ist Yannick (7) immer noch. Denn die Fibrose behindert nicht nur das Atmen, sondern auch die Nahrungsaufnahme. Deshalb schluckt der Erstklässler aus Ehrendingen AG vor jeder Mahlzeit drei grosse Tabletten mit Verdauungsenzymen. «Ohne sie kann er das Essen nicht verarbeiten», sagt sein Vater Roland Erne (46).

1000 Menschen in der Schweiz

Insgesamt fünf verschiedene Medikamente gehören zur Basisausstattung. In akuten Phasen sind es mehr, vor allem Antibiotika. Im Sommer, wenn Yannick schwitzt und zu viel Salz verliert, kommen Natriumchloridlösungen hinzu, die kein Gesunder vertragen würde.

In der Schweiz leiden 1000 Menschen an der seltenen Krankheit zystische Fibrose. Sie werden von Husten mit zähflüssigem Auswurf geplagt, von Bauchschmerzen, Verdauungsstörungen, Infektionen, Atemnot. Und im schlimmsten Fall ersticken sie.

Yannick muss regelmässig ans Inhaliergerät. Er geht zur Physiotherapie und alle drei Monate ins Spital: Lungencheck, Bluttest, Röntgen, Ultraschall.

Yannick weiss Bescheid: «Ich habe seit meiner Geburt eine kranke Lunge, aber ich bin nicht ansteckend.» Die Medikamente und Therapien seien manchmal nervig. «Aber das gehört dazu.» Am liebsten ist er mit seinem Bruder Marvin (9) auf dem Spielplatz. Doch die Krankheit macht ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung: Im Sommer schnappte der Junge das Bakterium Pseudomonas auf – ein Albtraum für Patienten mit zystischer Fibrose, weil es antibiotikaresistent macht. Deshalb verbrachte Yannick seine Ferien nicht auf dem Spielplatz, sondern an einem Infusionsgerät in der Kinderklinik.

Erholung innert wenigen Wochen

Zystische Fibrose ist nicht heilbar und führt ohne Behandlung noch vor dem zwanzigsten Lebensjahr zum Tod. Doch jetzt gibt es Hoffnung: Der US-Pharmakonzern Vertex hat ein Medikament entwickelt, das die Krankheit an der Wurzel packt. Seit einem Jahr ist das Präparat Trikafta in der Schweiz für Patienten ab zwölf Jahren zugelassen.

Die Wirkung ist verblüffend. «Es hat mich umgehauen», sagt Adina Fahl (22) aus Basel. Seit ihrer Geburt kämpfte sie mit den Symptomen der zystischen Fibrose. Im letzten Sommer hat sie die neuen Tabletten erhalten. «Sie haben meine Lunge komplett vom Schleim befreit», sagt die angehende medizinische Praxisassistentin. «In wenigen Wochen stellte sich mein ganzer Organismus um und erholte sich.»

200'000 Franken pro Patient und Jahr

Professor Alexander Möller (56) ist Lungenspezialist und Leiter des Zentrums für zystische Fibrose am Kinderspital Zürich. Er sagt: «Die Wirkung von Trikafta ist extrem. Das Medikament verändert alles. Es bekämpft die Ursache und stoppt wahrscheinlich den Krankheitsverlauf.» Nun hat die Heilmittelbehörde Swissmedic das Präparat auch für Kinder ab sechs Jahren freigegeben. Möller begrüsst den Entscheid. Das Kinderspital Zürich nahm an einer weltweiten Trikafta-Studie mit Kindern teil. «Als ich die Wirkung an einem schwer kranken Mädchen sah, habe ich geweint», sagt Möller.

Das sind gute Nachrichten für Yannick und 150 weitere Kinder in der Schweiz, die zwischen sechs und elf Jahre alt sind und an der Erbkrankheit leiden. Doch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) muss zuerst die Zulassung erteilen, damit Trikafta auch für diese Kinder kassenpflichtig wird. Ohne Kassen geht es nicht: Die Pillen kosten 200'000 Franken pro Patient und Jahr.

Knallharter Vertex-Konzern

«Das Medikament ist zu teuer», sagt Professor Möller. Das findet auch das BAG. Denn mit der Ausweitung der Zulassung auf mehr Patienten steigt der Umsatz des Pharmakonzerns Vertex. Deshalb streiten BAG und Vertex in diesen Tagen über einen neuen Preis.

Das ist nichts Neues: Schon der Zulassung des Trikafta-Vorgängers Orkambi gingen jahrelange Preisverhandlungen voraus. Der Vertex-Konzern unter Führung der Inderin Reshma Kewalramani (49) ist knallhart.

«Als Betroffener dachte ich lange, dass die Pharma wirklich nur helfen will», sagt Reto Weibel (52), Präsident der Patientenorganisation Cystische Fibrose Schweiz. «Aber die Manager wollen den maximalen Profit.» Und davon werfen wirksame Mittel gegen seltene Krankheiten reichlich ab. Die Entwicklungskosten sind zwar hoch. Doch weltweit locken Behörden mit Steuerermässigungen, Patentschutz und Monopolstellungen – und bezahlen viele klinische Studien gleich selber. Die Pharmaindustrie macht dann mit hohen Preisen grosse Gewinne im Markt der Ängste.

Schwer zu ertragender Preispoker

Ganz besonders in der Schweiz: Seit 2014 sind die Gesamtausgaben für Arzneimittel hierzulande um 30 Prozent gestiegen. «Das ist vor allem auf neue, sehr hochpreisige Arzneimittel im Bereich der Krebsmedikamente und Immunsuppressiva zurückzuführen», so das BAG. «Aber auch hochpreisige Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen wie zystischer Fibrose tragen zum starken Kostenanstieg bei.»

Für Reto Weibel von der Patientenorganisation ist klar: «Vertex muss den Preis jetzt senken.» Es steht viel auf dem Spiel: Kommt der Konzern dem BAG nicht entgegen, dürfte das Amt die Zulassung für Kinder ab sechs Jahren verweigern. Dann muss Yannick warten. Die Krankheit aber wartet nicht. Sie beschädigt seine Lunge weiter.

Für Yannicks Mutter ist der Preispoker schwer zu ertragen. «Ich bin Buchhalterin», sagt Claudia Erne. «Doch dass die Firma um jeden Rappen feilscht, verstehe ich nicht. Da zählen nur noch Gewinne und Manager-Boni.» Tatsächlich verdient Vertex-Chefin Kewalramani nicht zu knapp: Im letzten Jahr waren es 15 Millionen Dollar. Diese Logik sei absurd, sagt Claudia Erne: «Yannick soll früher sterben – für die Rolex der Pharma-Chefin.»

Weder Vertex noch BAG lassen sich in die Karten schauen. Sie geben keine Auskunft zu den Verhandlungen.

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