Die Schweizer Bauern melden «SOS». In den letzten Wochen haben sie wiederkehrend mit hiesigen Kundgebungen für Aufmerksamkeit gesorgt. Zum Bild der Proteste ist das «SOS»-Notsignal geworden, geformt aus Hunderten von Traktoren. Das Ziel der Schweizer Bauernschaft: fairere Preise für die eigenen Produkte. Aus anderen Lagern gibt es jedoch auch Kritik. So gibt es Stimmen, wonach es den Bauern gut ginge – auch dank der Subventionen. Was ist da los?
Auf Seite der Bauern steht der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS). Die im Sommer 2023 gegründete Organisation hat nun sogar Anzeige bei der Wettbewerbskommission des Bundes (Weko) eingereicht. Der Grund für die Anzeige: FMS spricht von «Missbrauch der Marktmacht in der Wertschöpfungskette von Backmehl». So heisst es in einer Mitteilung des Vereins, die am Mittwoch verschickt wurde. Die Forderung: Die «ungerechtfertigte Bereicherungen von marktmächtigen Unternehmungen zulasten von Produzenten und Konsumentinnen» sollen aufhören.
Grossmühlen von Migros und Coop im Fokus
Ein Dorn im Auge sind FMS insbesondere Coop und Migros. Den zwei Detailhandels-Riesen schreibt der Verein eine Marktmacht von über 80 Prozent zu. Im Bereich von Getreide- beziehungsweise Backmehl dominierten sie den Handel über eigene Unternehmen oder Kooperationen – Coop mit der Tochter Swissmill, Migros über eine enge Partnerschaft mit Groupe Minoteries, heisst es.
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Dank ihrer Position können jene mit Marktmacht höhere Preise durchdrücken – auf Kosten der Bauern. In einer Systemanalyse vom vergangenen Februar kommt der Verein zum Schluss, dass nur sieben Prozent des Verkaufspreises bei den Ursprungsproduzenten landen.
Vorwurf von «zu hoch gemeldeten Mehlreisen»
Diese Marktkonstellation begünstigt aus Sicht des Vereins FMS auch missbräuchliches Verhalten. «Wir haben starke Anhaltspunkte dafür, dass Getreidebauern zu hohe Beiträge an grosse Schweizer Exportfirmen wie Nestlé und Biskuitproduzenten zahlen müssen», sagte Präsident Stefan Flückiger (64) bereits im Februar gegenüber Blick.
Der Trick: Die Grossmühlen würden mit «zu hoch gemeldeten Mehlpreisen» operieren, so der Vorwurf. Der Hintergrund: Mehl aus der Schweiz muss verbilligt werden, um im Ausland wettbewerbsfähig zu sein. Deshalb erhalten Unternehmen sogenannte Ausfuhrbeiträge, wenn sie aus Mehl hergestellte Produkte exportieren. Diese Beiträge zahlen zu einem Grossteil die Bauern. Je höher der Mehlpreis hierzulande, desto mehr müssen sie von ihren Subventionen an die Exportfirmen abgeben.
Laut Flückiger liegen FMS Offerten der Grossmühlen mit brisantem Inhalt vor, wie es im Bericht von damals heisst. Diese sollen belegen, dass die Grossmühlen den Industriekunden – wie beispielsweise Nestlé – Preise anbieten, die bis zu 15 Prozent unter dem Preis liegen, den sie dem Bund melden, der wiederum den Schweizer Mehlpreis berechnet.
Der Dachverband Schweizerischer Müller sprach damals gegenüber Blick von «groben Fehlbehauptungen». Die Mühlen meldeten genau die Preise, die vom Bund angefragt werden, sie seien nicht zu hoch angesetzt. Sie selbst profitieren nicht direkt von den Ausfuhrbeiträgen, diese gingen an die Exporteure.
Kampf gegen «ungerechtfertigte Systemprofite»
Mit der Weko-Anzeige sagt der Verein Faire Märkte Schweiz den ungleichen Strukturen im Markt für Brotgetreide und Backmehl den Kampf an. Er will «längst fällige Systemkorrekturen» erwirken, um so den Bauern zu mehr Geld zu verhelfen. Konkret sieht FMS das Potenzial für Einkommensverbesserungen von bis zu 15 Millionen Franken im Jahr.
«Das heutige System mit den Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen zulasten der Landwirtschaft und KMU-Mühlen kann nicht als fair bezeichnet werden», heisst es in der Weko-Anzeige. Weiter schreibt der Verein in seiner Mitteilung: «Es ist notwendig, die ungerechtfertigten Systemprofite und Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt für Backmehl mittels einer Sektoruntersuchung kartellrechtlich abzuklären.»