Getreidebranche will sich versteckte Subventionen sichern
Bauernaufstand gegen Billigmehl

Der Bauernverband hilft der Getreidebranche, ihre Pfründe zu sichern. Das sorgt innerhalb der Landwirtschaft für Ärger. Es geht um Billigmehl, illegale Subventionen und jene, die den Preis dafür zahlen.
Publiziert: 09.12.2023 um 01:04 Uhr
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Aktualisiert: 09.12.2023 um 16:03 Uhr
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60 Jahre lang haben Getreidemühlen praktisch zollfrei Weizen importiert – und einen Teil davon für die Brotproduktion abgezweigt. Das war illegal, befand der Bundesrat.
Foto: imago
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Während Jahrzehnten flossen in der Schweiz illegale Brotsubventionen. Bis der Bundesrat dem Verfassungsbruch vergangenes Jahr einen Riegel schob – und damit bei den Getreidemühlen im Land mächtig Mehl aufwirbelte.

Die Mühlen können heute praktisch zollfrei Weizen importieren, um daraus Stärke herzustellen. Diese wird nicht nur in der Lebensmittelindustrie, sondern auch für die Produktion von Karton und Schneckenkörnern gebraucht.

Doch dank eines Schlupflochs landete ein Teil des Billigweizens aus dem Ausland bis vor kurzem auch in Brot und Brötchen. Von dem Getreide, das für die Stärkeproduktion vorgesehen ist, wurden Tausende Tonnen abgezweigt, um daraus Mehl herzustellen. Eine lukrative Praxis, denn der Zollsatz für Weizen für die Brotherstellung ist ein Vielfaches höher.

Ende 2022 war Schluss

Der Bund taxierte das Vorgehen schon vor Jahren als widerrechtlich. Doch wegen des erfolgreichen Lobbyings der betroffenen Branche passierte lange nichts. Erst Ende 2022 war schliesslich Schluss.

Oder doch nicht? Der Knatsch ums Billigmehl beschäftigt inzwischen das Parlament. Und sorgt für dicke Luft bei den Bauern.

Grund ist ein Vorstoss von alt Ständerat Hansjörg Knecht (63). Der ehemalige SVP-Politiker ist selbst Inhaber einer Getreidemühle. Er forderte, dass die Änderung wieder rückgängig gemacht wird. Sagenhafte 43 Ständerätinnen und Ständeräte (von insgesamt 46) haben die Forderung mitunterzeichnet. Entsprechend war die Zustimmung der kleinen Kammer Formsache.

Bauern gegen Bauern

Am Montag entscheidet nun der Nationalrat. Der Bauernverband macht sich für ein Ja stark. Doch es gibt Widerstand. Wie Blick weiss, lehnen sich Landwirte gegen die Pläne auf und versuchen, in letzter Minute den Entscheid zu kippen. Den Aufstand wagt ausgerechnet der Verband Berner Bauern, der mit Abstand grösste Kantonalverband.

Mit der alten Regel, die jetzt wieder eingeführt werden soll, würden die Landwirte geschröpft, kritisiert Markus Lüscher vom Berner Verband. Denn die Schweizer Bauern produzieren selbst mehr als genug Brotweizen. Weil es derzeit zu viel auf dem Markt gibt, wird aus Tausenden Tonnen, die eigentlich für die Brotproduktion vorgesehen sind, Futtermittel. Das sei absurd, findet Lüscher. «Wir Bauern sind es, die für diese Überschüsse zahlen müssen.»

Bauernverbands-Boss und Mitte-Nationalrat Markus Ritter (56) räumt auf Anfrage ein, dass das Billiggetreide aus dem Ausland «den inländischen Brotgetreidemarkt belasten könne» – für die Bauern also von Nachteil ist. Doch man müsse eine «gesamtwirtschaftliche Abwägung» machen. Und da würden die Vorteile überwiegen. Anders gesagt: Ritter wiegt die Interessen der nachgelagerten Branchen höher als die Interessen derer, die er eigentlich vertritt.

Branche warnt vor Stellenabbau

Die Getreidebranche warnt, dass Mühlen und andere Betriebe, die von der Schweizer Stärkeproduktion abhängig sind, schliessen müssten, wenn sie nicht mehr praktisch zollfrei ausländisches Getreide importieren könnten. Die Jobs von Dutzenden Angestellten stünden auf dem Spiel, sagt Thomas Helbling, Präsident des Dachverbands der Schweizer Müller.

Doch nicht nur unter Bauern gibt es Widerstand gegen die Wiedereinführung der Brotsubventionen. Auch der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS) kämpft dagegen. Auch wenn die Branche anderes behaupte: «Die Bauern machen ein schlechtes Geschäft. Der Deal mit den Grossmühlen wird für sie teuer zu stehen kommen», ist FMS-Präsident Stefan Flückiger überzeugt.

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