Manche Firmen müssen gar Aufträge ablehnen
Nachfrage nach Putzkräften zieht Monat um Monat weiter an

Ob die Studenten-WG, die alleinstehende Seniorin oder die Patchwork-Familie: Immer mehr Haushalte in der Schweiz leisten sich eine Putzkraft. Auch in den Büros wächst die Nachfrage. Dennoch wird die Arbeit der Putzhilfen weiterhin geringgeschätzt.
Publiziert: 19.04.2023 um 00:43 Uhr
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Aktualisiert: 20.04.2023 um 15:59 Uhr
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Immer mehr Privathaushalte leisten sich eine Putzkraft. (Archivbild)
Foto: Keystone
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Die Reinigungsbranche boomt. Jeder achte Haushalt leistet sich gemäss einer Homegate-Umfrage aus dem Jahr 2019 eine Putzkraft – neuere Zahlen gibt es nicht. Mittlerweile dürfte die Quote deutlich angestiegen sein. «Die Nachfrage ist heute zehn bis 15 Prozent höher als vor der Pandemie», rechnet Andreas Schollin-Borg (34) vor. Er ist CEO von Batmaid, dem Marktführer unter den Vermittlern von Reinigungskräften.

4000 Reinigungskräfte beschäftigt Batmaid derzeit in der Schweiz – jeden Monat kommen 100 neue dazu. «Wir rechnen damit, dass die Nachfrage innert zehn Jahren nochmal um fünf bis zehn Prozent steigt», so Schollin-Borg.

Den Zuwachs erklärt er sich damit, dass die Leute stärker für Hygiene sensibilisiert seien – aber seltener selber putzen wollen. «Ich wurde als Kind noch so erzogen, dass ich mein Zimmer aufräumen musste», erinnert sich Schollin-Borg. «Heute ist Zeit ein Luxusprodukt und man will sich von der Hausarbeit befreien.»

Von jung bis alt

Gerade bei jungen Leuten sind Putzhilfen im Trend: Die Homegate-Umfrage kam zum Schluss, dass Mehr-Personen-Haushalte ohne Kinder – klassische WGs – sich besonders häufig eine Putzkraft leisten.

Schollin-Borg sieht aber auch bei den Älteren eine klare Tendenz. «Seniorinnen und Senioren leben immer länger zu Hause, statt ins Altersheim zu ziehen», erklärt er. «Sie brauchen häufiger Hilfe im Haushalt.»

Es fehlt der Nachwuchs

Nicht nur Private, auch Firmen brauchen immer mehr Reinigungskräfte, bestätigt Karin Funk (59). Sie ist Geschäftsführerin von Allpura, dem Verbandes der Schweizer Reinigungs-Unternehmen. «Unsere Mitglieder haben mehr als genug Arbeit, manche müssen sogar Aufträge ablehnen, weil sie schlicht nicht genug Personal haben.» Denn entgegen der landläufigen Meinung könne nicht jeder putzen, betont Funk. «In allen Bereichen brauchen wir gut ausgebildete Leute.»

Der Arbeitskräftemangel dürfte auch mit dem schlechten Ruf der Branche zusammenhängen. In Privathaushalten putzen viele Haushaltshilfen illegal. Ein Viertel hat laut einer Comparis-Umfrage aus dem Jahr 2018 keine Sozialversicherung, die Hälfte keine Unfallversicherung.

Vermittlungsplattformen stehen dabei ebenfalls in der Pflicht: Auf Homeservice24.ch etwa bieten 83'000 Putzkräfte ihre Dienste als Selbständige an. Die Plattform selber ist dabei nicht Arbeitgeberin, nur Vermittlerin. Auch Batmaid galt früher als «Uber der Reinigungsbranche», hat mittlerweile aber reagiert und seine 4000 Putzkräfte fest angestellt.

Unsichtbare Putzkräfte

Bei den professionellen Reinigungs-Unternehmen sind die Arbeitsbedingungen in einem allgemein verbindlichen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) geregelt. «Im Vergleich zu anderen Branchen müssen wir uns nicht verstecken», betont Funk vom Branchenverband. Nach dem Lehrabschluss als Gebäudereiniger gibt es mindestens 4500 Franken monatlich.

Ein Problem sind aber die tiefen Pensen und die unattraktiven Arbeitszeiten: Die meisten Firmen lassen die Putzequipe nur zu Randzeiten in die Büros. Bevor die Arbeitsplätze ab 8 Uhr bevölkert werden, sollen die Tische abgestaubt, der Teppichboden gesaugt und die Toiletten geschrubbt sein. Funk fordert, dass auch in der Schweiz die Tagesreinigung zum Standard wird, wie das bereits in vielen nordischen Ländern der Fall ist. Dann könnten die Unternehmen ihren Putzkräften mehr Einsätze und attraktivere Arbeitszeiten anbieten. «Hierzulande hat man oft das Gefühl, das Reinigungspersonal würde stören», sagt Funk. «Dabei gibt es heutzutage Staubsauger, die keinerlei Lärm verursachen.»

Solange die Reinigungsarbeit in der Schweiz allerdings geringgeschätzt wird, dürfte diese Forderung utopisch bleiben.

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