Wie man Käse verkauft, weiss Lukas Bucheli (40) schon lange. Er besitzt einen Abschluss der Universität Freiburg, ist Marketingprofi durch und durch, ein «Gschtudierter» eben, das hat er etliche Male gehört.
Seit letztem Freitag weiss der Freiburger nun auch ganz offiziell, wie man Käse herstellt. Es war der letzte Tag seiner Lehre, jetzt darf er sich Milchtechnologe nennen – LAP-Note: 5,6.
Viel Zeit zum Feiern blieb indes nicht. Buchelis Gesellenstück folgt nämlich erst jetzt: Er will mit seinem eigenen Käse durchstarten – einem Mozzarella aus dem Freiburgerland, einer Region, die sonst eigentlich eher für Greyerzer und Vacherin bekannt ist.
Die Idee, einen Mozzarella zu produzieren, lag sprichwörtlich auf dem Teller. «Ich liebe diesen Käse», sagt Bucheli. Im Frühling 2018 brachte ihn sein Job bei einem internationalen Konzern nach Shanghai. Dort durfte er den Chinesen französischen, italienischen und schweizerischen Käse schmackhaft machen. Seine Lieblingskäse, die rässen Greyerzer und Vacherins aus der Dorfkäserei, wo er aufwuchs, «schmuggelte» er vakuumverpackt im Koffer ins Land. Bei der Zollkontrolle sagte er bloss: «It’s a cake», es sei Kuchen. Die Beamten winkten ihn durch.
Mit Testflug zurück in die Schweiz
Sich dereinst selbständig zu machen, war schon immer Buchelis Plan. Die ursprüngliche Idee, in Shanghai einen eigenen Käseladen zu eröffnen, durchkreuzte der Ausbruch der Pandemie. Zur gleichen Zeit wurde Buchelis Frau Marie schwanger. Das Paar erlebte den ersten Lockdown in der Millionenmetropole und überlegte sich, wie es weitergehen sollte. «Bald war klar, dass wir in die Schweiz zurückkehren werden. Der Gedanke, selber zu käsen und nicht nur zu verkaufen, reifte in mir», sagt Bucheli. Er telefonierte Käsereibetriebe in der Schweiz ab, die Lehrlinge ausbildeten. Beim Institut Agricole in Grangeneuve FR bekam er die Zusage. «Milchtechnologen sind gesuchte Fachleute», sagt Bucheli. Die Branche habe sich gewandelt und viele Käser steckten mehr Energie in die Ausbildung der eigenen Lehrlinge.
An einem Freitag im Juli 2020, mitten in der zweiten Welle, betraten die Buchelis den menschenleeren Shanghaier Flughafen. Nach drei Monaten ohne eine einzige Verbindung nach Europa hob an diesem Abend eine Maschine der Air France ab – ein Testflug mit Ausnahmegenehmigung der Behörden in China. 25 Passagiere durften mit, darunter die schwangere Marie und der angehende Käser Lukas.
Per Ende Mai 2022 sind schweizweit rund 45'000 Lehrverträge abgeschlossen worden. Gleichzeitig waren auf dem kantonalen Lehrstellennachweis über 2'000 Lehrstellen ausgeschrieben. Gemäss Bund zeigten die Unternehmen grosses Interesse daran, Jugendlichen attraktive Berufsperspektiven anzubieten. «Damit sichern sie sich ihren Nachwuchs an Fachkräften.
Per Ende Mai 2022 sind schweizweit rund 45'000 Lehrverträge abgeschlossen worden. Gleichzeitig waren auf dem kantonalen Lehrstellennachweis über 2'000 Lehrstellen ausgeschrieben. Gemäss Bund zeigten die Unternehmen grosses Interesse daran, Jugendlichen attraktive Berufsperspektiven anzubieten. «Damit sichern sie sich ihren Nachwuchs an Fachkräften.
Das Start-up, das Bucheli noch während seiner Lehre gegründet hat, heisst Noula, la nouvelle laiterie, und besteht derzeit aus ihm und Delphine Bohren, Studentin der höheren Fachschule für Lebensmitteltechnik. An einem heissen Sommertag stehen die beiden im Atelier des Lehrbetriebs in Grangeneuve und füllen die Rahmmischung in die warmen Mozzarellakugeln – frische Burrata. Die Luft ist feucht, es duftet nach Milchsäure. Das Timing ist entscheidend bei der Herstellung des Frischkäses. «Am Anfang haben wir sehr gelitten, viel ging in die Hose», sagt Bohren. Ein falscher Handgriff und die ganze Produktion landet im Eimer – und muss den Schweinen verfüttert werden.
Suche nach neuem Standort
Derzeit schafft das Duo knapp 300 Kugeln an einem Produktionstag, der um 5 Uhr morgens beginnt. Die ersten Reaktionen fallen durchwegs positiv aus. In der Woche trudeln mehr Bestellungen ein, als Bucheli herstellen kann. Dass er ausgerechnet im Kanton Freiburg, der Heimat des berühmten Greyerzers, eine italienische Spezialität käst, sei für ihn kein Widerspruch, sagt Bucheli. Entscheidend seien perfekte Zutaten, und diese seien hier vorhanden: frische Milch von Kühen, die kein Silogras verfüttert bekommen und der Safran, mit dem Bucheli eine seiner Burratas veredelt, stammt ebenfalls von einem Bauern aus der Region.
Die Schule in Grangeneuve sei sein Start-up-Inkubator gewesen, sagt Bucheli. «Wir wollten unbedingt einen Mozzarella machen, der nach traditionellem Rezept gekäst wird – in kleinen Mengen, langsam gereift, ohne Zusatz von Zitronensäure oder anderen Mitteln.» Bis nächsten Frühling darf er noch bleiben, danach muss er an einem neuen Standort käsen. Die Suche nach einem Atelier, in das er sich einmieten kann, läuft. Bis er von seinem Mozzarella leben kann, arbeitet Lukas Bucheli in Nebenjobs. Er geniesst es, in zwei Welten unterwegs zu sein. «Nach einem Bürotag fühlt es sich fantastisch an, in aller Herrgottsfrühe in die weissen Gummistiefel zu schlüpfen und mit eigenen Händen ein Produkt herzustellen, in das ich schon 24 Stunden später hineinbeissen kann.»