Der Schnee ist da, doch die Schweizer Hoteliers sind noch längst nicht bereit für die Wintersaison. «10 bis 15 Prozent der Mitarbeiter fehlen», schätzt Ernst Wyrsch (60), Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden, als Blick ihn in Davos GR zum Gespräch trifft. Einzelne Betriebe sprechen sogar von einer Lücke von 30 Prozent. An der Rezeption, im Service, in der Küche: Überall sind noch Stellen offen. Allein auf der spezialisierten Plattform Hotelcareer.ch sind über 2000 Jobs ausgeschrieben.
Nun zeichnet sich eine Last-Minute-Lösung ab: Der Lockdown in Österreich leistet den Schweizer Hoteliers Schützenhilfe gegen den Fachkräftemangel. Österreich befindet sich offiziell zwar nur bis 13. Dezember im Lockdown. Aber vielen Saisonniers ist die Lage zu unsicher, sie schauen sich nach neuen Jobs um – auch in der Schweiz, wie verschiedene Tourismus-Unternehmer gegenüber Blick bestätigen.
Lenker Hotel holt Österreicher
«Das könnte unser Problem lösen», freut sich Ernst Wyrsch. Seine Euphorie ist verständlich, droht der Fachkräftemangel doch einen besonders einträglichen Winter zu durchkreuzen. Die Buchungen in den Schweizer Berghotels gehen gerade durch die Decke. Weil in Österreich Lockdown herrscht, planen Touristen ihre Ferien stattdessen in der Schweiz.
Jan Stiller (43) profitiert bereits vom Personalzuwachs aus Österreich. Er hat in seinem Fünfsternehaus Lenkerhof im Simmental kurzfristig einen Servicemitarbeiter aus dem Nachbarland angestellt.
Eine befreundete Hotelière aus Österreich habe ihn angerufen, nach Einsatzmöglichkeiten für ihr Personal gesucht. «Zwei Tage später hat der junge Mann bei uns angefangen», erzählt Stiller stolz. Eine langfristige Lösung gegen den Fachkräftemangel ist das aber nicht, gibt Stiller zu. «Wie lange er bleibt? Keine Ahnung. Aber wir haben in den letzten zwei Jahren zu improvisieren gelernt.» Der Hoteldirektor sagt es mit einem Schulterzucken.
Grössere Jobsicherheit in der Schweiz
Er hat den Servicemitarbeiter aus Österreich nur «ausgeliehen». Sobald die Hotels in Österreich wieder eröffnen dürfen, verliert Stiller seinen neusten Mitarbeiter. Andere hingegen wollen für die ganze Wintersaison bleiben. «Es ist eine Frage der Sicherheit», sagt Jan Stiller. «Früher hiess es immer: ‹Geh ins Gastgewerbe, gegessen und getrunken wird immer.› Das gilt heute nicht mehr.»
Die Jobsicherheit ist in der Schweiz grösser als in Österreich, wo die Behörden mit strengeren Massnahmen gegen die Pandemie kämpfen. Dass nun ausgerechnet Fachkräfte aus Österreich in die Schweiz strömen, ist ein Glücksfall, sagt Jan Stiller. «Österreichische Mitarbeiter sind sehr gesucht in der Schweiz. Häufig sprechen sie Französisch und sind gut ausgebildet.»
Mehr einkaufen, weniger selber machen
Dennoch: Der Hotelier hat in der Küche weiterhin mehrere Stellen zu besetzen. Wenn er kein Personal findet, braucht er einen Plan B. Zum Beispiel eines der drei Restaurants in seinem Resort zu schliessen. Das will Stiller mit aller Kraft vermeiden. «Den Gast in einem Fünfsternehotel interessiert es herzlich wenig, ob ich in der Küche einen Angestellten mehr oder weniger habe.»
Für Stillers verbleibendes Personal heisst das: mehr Arbeitseinsätze, längere Schichten – und mehr externe Hilfe. Was früher selber gemacht wurde, wird nun eingekauft. Convenience-Essen statt Gourmet-Menü also? Stiller verneint vehement. Die Qualität in der Küche werde grossgeschrieben. Ob er die kulinarischen Bedürfnisse seiner Gäste trotz Personalmangel erfüllen kann, zeigt sich spätestens in einer Woche: Dann wird an der Lenk die Skisaison eröffnet.