Die SRG steht unter Druck. Mit der kürzlich eingereichten «Halbierungs-Initiative» will die SVP die Mittel für den öffentlich-rechtlichen Medienkonzern massiv kürzen. Die Abgabe pro Haushalt soll von jährlich 335 auf 200 Franken sinken, die für Unternehmen gar komplett entfallen.
Wird die Vorlage angenommen, wäre das für die SRG eine Zäsur. Dementsprechend gross ist die Nervosität am Leutschenbach.
Was nicht zur Beruhigung beiträgt: Mit Albert Rösti (56) steht seit Anfang Jahr ein SRG-Kritiker an der Spitze des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Bis zu seiner Wahl in den Bundesrat war der SVP-Mann Mitglied des Anti-SRG-Komitees.
Ein erstes Ausrufezeichen setzte der neue Medienminister Ende April: Er überzeugte den Bundesrat, die Arbeiten an einer neuen SRG-Konzession – von der Landesregierung erst ein halbes Jahr zuvor in Auftrag gegeben – bis auf weiteres zu sistieren. Stattdessen wurde das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) beauftragt, eine «Gesamtschau» zur SRG vorzulegen – unter Einbezug der Halbierungs-Initiative.
Voraussetzung für eine unvoreingenommene «Gesamtschau» wäre eine professionelle Distanz zwischen Bakom und SRG. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ist das Bakom doch die Aufsichtsbehörde der SRG. Die Leutschenbach-Verantwortlichen um Generaldirektor Gilles Marchand (61) betonen denn auch gern, wie genau ihnen das Bakom auf die Finger schaue.
Freundschaftlich statt distanziert
Doch spinnefeind sind sich die beiden Akteure nicht gerade. So zeigen E-Mails, die SonntagsBlick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz erhalten hat, dass Marchand mit Bakom-Direktor Bernard Maissen (62) ein ausserordentlich freundschaftliches Verhältnis pflegt. Vor allem scheinen sich die Duzfreunde einig zu sein, wie die künftige SRG aussehen soll.
Mehr zu Gilles Marchand
Am 30. April 2023 zum Beispiel – vier Tage, nachdem der Bundesrat die Arbeiten an der neuen SRG-Konzession auf Eis legte – schickt Marchand einen Artikel über die Wachstumsbeschränkungen der britischen BBC im digitalen Bereich an Maissen und kommentiert: «Sie sind mit den gleichen Problemen konfrontiert wie wir (...). Der Unterschied besteht darin, dass ein wachsender Teil des Parlaments dies zu erkennen scheint.»
Der Bakom-Chef antwortet prompt: «Ja, die BBC hat auch ein paar Baustellen. In der CH sind wir bisher mit den ‹Einschränkungen› ausserhalb des Linearen noch gut unterwegs. Hoffen wir, das bleibt so, bis andernorts die Einsicht wächst, dass die Zukunft nicht im linearen TV liegt.»
Die Aktivitäten der SRG ausserhalb des analogen TV- und Radioprogramms – also vor allem im Online-Bereich – sind politisch heftig umstritten. Vor diesem Hintergrund ist der klare Positionsbezug des Amtschefs bemerkenswert.
Wenige Tage darauf, am 11. Mai, schickt Marchand wieder ein E-Mail: Diesmal geht es um eine Interpellation von Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi (61, TI), in der die höheren Einnahmen der SRG durch Gebühren von Unternehmen hinterfragt werden. Der Bundesrat teilt Regazzi mit, dass der Tarif für die Radio- und Fernsehabgabe im Zweijahresrhythmus festgelegt und man sich 2024 wieder mit dieser Frage befassen werde. «Diese Befassung wird in Koordination mit der Gesamtschau zur SRG vorgenommen.»
Marchand scheint durch die Formulierung der bundesrätlichen Antwort verunsichert. Er will vom Bakom-Direktor wissen, wie der Verweis auf die «Gesamtschau» zu verstehen sei: «Cher Bernard (...) Handelt es sich hier um die Bewertung von Gegenvorschlags-Szenarien oder gibt es eine andere Absicht?»
«Lieber Gilles ...»
Maissen beruhigt ihn: «Lieber Gilles. Das hat nur mit dem indirekten Gegenvorschlag zu tun. 2024 wird höchstwahrscheinlich gar nichts passieren.» Auch im Vorfeld eines Treffens mit Bundesrat Rösti erhielt Marchand Support von seinem obersten Aufseher. Am 10. Februar stellte er Maissen «zur Information» eine Präsentation über die SRG zu, die für den neuen Medienminister bestimmt war. Der Bakom-Chef lobte das «Vademecum» als «sehr gut und informativ» – und gab Tipps für den Vortrag: «Im Gespräch würde ich nicht zu stark darauf fokussieren, was ihr schon alles für Einsparungen gemacht habt, denn er (Bundesrat Albert Rösti; Red.) wird vermutlich mehr in die Zukunft blicken wollen.»
Das Bakom sieht daran nichts Aussergewöhnliches. «Das Amt bzw. das Bakom bereitet seine Sitzungen jeweils mit den Beteiligten vor», schreibt die Medienstelle auf Anfrage. Die Rückmeldung von Maissen diene «einer zielorientierten Vorbereitung» auf die entsprechende Sitzung.
Weiter hält die Behörde fest, dass Maissen «keinen privaten Kontakt» zu Marchand habe. «Die beiden kennen sich aus der Zeit, als Bernard Maissen während zweier Jahre in einer Kaderfunktion bei Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) gearbeitet hat. Ausserdem war Bernard Maissen gemeinsam mit Gilles Marchand Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission.»
Des Weiteren kenne Maissen – bis Ende 2017 Chefredaktor der Schweizerischen Depeschenagentur – die meisten Akteure in der Medienbranche seit langem, er stehe mit ihnen «im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeiten» in regelmässigem Kontakt.
Das sei in der kleinräumigen Schweiz üblich.