«Den Umsatz von 2 Monaten reinzuholen ist ehrgeizig»
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Immer mehr leere Geschäfte:«Den Umsatz von 2 Monaten reinzuholen ist sehr ehrgeizig»

Ladensterben und tote Schaufenster
Corona lässt die Innenstädte veröden

In Schweizer Einkaufsstrassen stehen immer mehr Geschäfte leer. Die ausgeschriebenen Verkaufsflächen nehmen zu. Sowohl der Online-Boom als auch Corona gefährden Innenstädte – mit dauerhaften Folgen. Es wird schwieriger, neue Mieter für Ladenflächen zu finden.
Publiziert: 15.05.2021 um 01:18 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2021 um 16:50 Uhr
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In der Einkaufsmeile von Winterthur, der Marktgasse, stehen derzeit sieben Geschäfte leer.
Foto: Blick / Dorothea Vollenweider
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Dorothea Vollenweider und Fabio Giger

Es ist ein trauriger Anblick, der sich in vielen Schweizer Einkaufsstrassen derzeit bietet: Statt Frühlingskollektionen in den Regalen sind die Schaufenster leer geräumt. Es sind Zeitzeugen der Pandemie. Sie machen deutlich, dass nicht alle Detailhändler die zwei Lockdowns überlebt haben.

Corona zwang manch einen Ladenbesitzer in die Knie. Beispielsweise in Winterthur ZH: In den Einkaufsstrassen Marktgasse und Obertor stehen derzeit sieben Geschäfte leer.

Es geht ums Überleben

Die drei Reisebüros Tui, STV Travel und Hotelplan haben ihre Filialen geschlossen. Vögele Shoes schliesst in Winterthur zwei von drei Filialen – eine in der Marktgasse und eine weitere in Seen. Auch der Schuhladen Geox hat sich aus der Marktgasse zurückgezogen. Genauso wie die Räumlichkeit des Optikers Delta Optik.

«Es ist klar, dass der Detailhandel Schaden genommen hat», sagt Remo Hahn (55), Geschäftsführer des Vereins Junge Altstadt Winterthur. «Die zwei Lockdowns können nicht wieder eingeholt werden», fügt er an. Nicht nur finanziell sei die Belastung für Ladenbesitzer gross. «Auch psychisch kommen viele an ihre Grenzen», sagt Hahn. Für einige Läden gehe es deshalb in den nächsten Monaten um die Existenz.

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Sandra Müller (47) aus Thun BE: «Ich finde es ‹tötelet› etwas. Es ist deprimierend, die leeren Flächen zu sehen. Aber wir geniessen unsere Ferientage hier in der Stadt trotzdem.»
Foto: Fabio Giger

Ladenflächen bleiben leer

Winterthur ist kein Einzelfall: Auch in Basel stehen an der Einkaufsmeile Freie Strasse drei Geschäfte leer: Eine Saft-Bar, ein Einrichtungsladen sowie ein Modegeschäft haben ihre Türen geschlossen.

«Diese Schliessungen wurden schon vor dem Ausbruch der Pandemie entschieden», sagt Mathias F. Böhm (45), Geschäftsführer des Vereins Pro Innenstadt Basel. «Doch es ist schwieriger geworden, solche Verkaufsflächen gleich schnell wie früher wieder zu vermieten.»

Neue Mieter sind rar

Während leere Verkaufsflächen an guten Lagen früher oft unter der Hand weggingen, ist die Neuvermietung derzeit eine Herausforderung. Immer mehr Ladenflächen müssen inseriert werden.

Das zeigt auch eine exklusive Auswertung der Immobilienplattform ImmoScout24 für Blick. Sie hat die ausgeschriebenen Ladenflächen in der Schweiz analysiert. Das Resultat: Die Anzahl Inserate hat seit November 2020 schweizweit zugenommen.

Grosse regionale Unterschiede

Dabei gibt es regionale Unterschiede: «Besonders stark ist die Zunahme der Anzahl Inserate in der Westschweiz», sagt Martin Waeber (49), Chef von ImmoScout24. In der Stadt Genf hat sich die Zahl seit November 2020 mehr als verdreifacht.

Stark zugenommen hat die Anzahl Inserate für Ladenflächen auch in Lausanne VD. In Genf GE sind laut ImmoScout24 derzeit über 180'000 Quadratmeter Verkaufsfläche ausgeschrieben. In Zürich sind es über 150'000 Quadratmeter, in Basel knapp 140'000 und in Winterthur 30'310 Quadratmeter.

Die Romandie wurde von der zweiten Welle viel früher getroffen als die Deutschschweiz. Genf gehörte zu den ersten Kantonen, welcher strengere Massnahmen als der Bund anordnete. Das ist nur einer der Gründe dafür, wieso es Genf härter trifft als andere.

Internationale Städte stark betroffen

Genf gehört auch zu jenen Schweizer Städten, denen seit einem Jahr zahlungskräftige Touristen fehlen. Genauso wie Luzern. In der Luzerner Altstadt stehen derzeit 18 Geschäfte leer. In den geräumten Ladenlokalen befanden sich einst Uhren, Modeaccessoires und Bekleidung.

Eine Strassenumfrage von Blick zeigt: Die vielen leeren Lokale fallen auf. «Ich finde es ‹tötelet› etwas. Es ist deprimierend, die leeren Flächen zu sehen», sagt Sandra Müller (47) aus Thun BE, die einige Ferientage in der Stadt verbringt. Auch in Interlaken BE fehlen die Asiaten – deshalb musste beispielsweise der Souvenirshop Edelweiss seine Tore schliessen. Genauso wie in Zürich und in Genf. Auch der Messe-Stadt Basel fehlen die internationalen Kunden.

Bereinigung steht noch bevor

Wie viele Schaufenster in den kommenden Monaten noch geräumt werden müssen, weiss niemand so genau. Die Credit Suisse schätzt, dass zwischen 2013 und 2028 jede dritte Verkaufsfläche verschwinden wird. Für CS-Immobilienexperte Fredy Hasenmaile (51) ist klar: Der grösste Teil dieser Bereinigung hat noch nicht stattgefunden. «Der ärgste Strukturwandel steht uns noch bevor», so Hasenmaile.

Denn nicht nur Corona macht den Ladenbesitzern zu schaffen. Immer mehr Kunden bestellen online, statt im stationären Handel einzukaufen. Diese Entwicklung wurde durch die Pandemie noch zusätzlich beschleunigt.

Letztes Jahr stiegen die Umsätze im Onlinehandel laut einer Studie der Credit Suisse 2020 um 35 Prozent. «Ein Grossteil der in den Onlinekanal abgewanderten Umsätze dürfte für den stationären Handel für immer verloren sein», sagt Hasenmaile.

Die Kleinen leiden

Das bekommen auch mittlere und kleine Städte zu spüren. In Lugano TI und Sitten VS beispielsweise stiegen die Anzahl Inserate für Ladenflächen deutlich.

Und es sind vor allem kleine Fachhändler, die ihre Geschäfte in den letzten Monaten für immer schliessen mussten. Das zeigt sich daran, dass die Anzahl der ausgeschriebenen Inserate auf ImmoScout24 stärker anstieg als die ausgeschriebene Ladenfläche in Quadratmetern.

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