Kündigung nach 25 Jahren, weil er nicht «digital» werden wollte
Ein Jahr vor Pensionierung entlassen – Firma muss 26’500 Fr. zahlen

Einem älteren Angestellten wird gekündigt – aus guten Gründen, entscheidet das Gericht. Dennoch bekommt er eine Entschädigung. Wie sieht die rechtliche Situation aus?
Publiziert: 08.02.2025 um 17:42 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2025 um 16:41 Uhr
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Das Bezirksgericht Muri AG sprach dem Entlassenen 3,5 Monatslöhne zu.
Foto: Philippe Rossier

Auf einen Blick

  • Aargauer Firma kündigt langjährigem Mitarbeiter kurz vor Pensionierung
  • Gericht bestätigt sachliche Kündigungsgründe, rügt aber mangelnde Fürsorgepflicht
  • Entschädigung von 26'500 Franken zugesprochen, entspricht 3,5 Monatslöhnen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nicole Müller
Beobachter

Eine Aargauer Firma kündigt 2023 einem Rohstoffeinkäufer. Er hat 25 Jahre für den Betrieb gearbeitet und wäre gut ein Jahr später pensioniert worden. Die Firma muss Betriebsabläufe straffen, um Kosten zu sparen.

Der Mann klagt gegen die Kündigung: Sie sei missbräuchlich, es habe keinen Anlass gegeben. Man habe ihn einfach durch einen jüngeren, günstigeren Arbeitnehmer ersetzen wollen. 

Widersprüchliche Aussagen vor Gericht

Vor dem Bezirksgericht Muri AG stellt das der frühere Vorgesetzte anders dar, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Der Mann sei schwer zu lenken gewesen, habe nicht auf digitale Prozesse umstellen wollen und Fehler gemacht beim Einkauf. Und er habe die betrieblichen Veränderungen abgelehnt und mit mieser Stimmung das Klima vergiftet.

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Dem widerspricht der Mann: Er habe Beschlüssen immer Folge geleistet. Und man habe ihm nie mit der Kündigung gedroht. Falsch, sagt der Vorgesetzte: Mündlich habe er mehrmals damit gedroht. Etwas Schriftliches kann er aber nicht vorlegen. 

Erhöhte Fürsorgepflicht bei älteren Angestellten

Das Bezirksgericht bestätigt, dass es sachliche Gründe für die Kündigung gegeben hat – dem Mann sei nicht wegen seines Alters gekündigt worden. Trotzdem heisst es die Klage des Einkäufers gut.

Denn der Arbeitgeber hätte bei der Kündigung schonend vorgehen müssen, weil er gegenüber älteren Angestellten eine erhöhte Fürsorgepflicht hat. Er hätte deshalb vorgängig klar die Konsequenzen aufzeigen müssen, wenn sich die Leistungen nicht verbessern. Das Gericht spricht dem Kläger 26’500 Franken als Entschädigung zu, das sind 3,5 Monatslöhne. 

Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Er ist erst mündlich eröffnet worden, nun bekommen die Parteien den grundlegenden Entscheid zugeschickt. Danach können sie ein schriftlich begründetes Urteil verlangen. Und müssen dann entscheiden, ob sie Berufung einlegen.

Wann ist eine Kündigung missbräuchlich?

Im Gesetz steht dazu ein ganzer Katalog. Missbräuchlich kann es sein, jemandem allein wegen seines Alters zu kündigen – besonders kurz vor der Pensionierung und nach vielen Dienstjahren.

Nicht missbräuchlich ist die Kündigung, wenn Angestellte ihre Leistung nicht mehr erbringen. Grundsätzlich gilt Kündigungsfreiheit: Auch ältere Angestellte darf man entlassen. 

Was genau heisst «erhöhte Fürsorgepflicht»?

Das lässt sich nicht generell sagen – wie genau und wie stark Firmen Rücksicht nehmen müssen, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich gilt aber, dass sie bei älteren Angestellten schonend vorgehen sollen.

Früher war das Bundesgericht noch der Meinung gewesen, dass Betriebe rechtzeitig informieren, Angestellte anhören und nach anderen Lösungen suchen müssen. Später ist es davon abgekommen und hat entschieden, dass Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet sind.

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