Expertin der Unia über Elternrechte
«Ja, man darf während der Arbeitszeit zum Kinderarzt»

Werdende und junge Eltern sind oft verunsichert, was ihre Rechte am Arbeitsplatz angeht. Wem darf wann gekündigt werden? Darf man zu Hause bleiben, wenn das Baby krank ist? Und was ist mit Kinderarztterminen während der Arbeitszeit? Eine Übersicht.
Publiziert: 02.12.2024 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2024 um 14:52 Uhr
Ist das Baby krank, muss der Arbeitgeber Kinderarztbesuche während der Arbeitszeit ermöglichen.
Foto: IMAGO/Zoonar

Auf einen Blick

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Maja ZivadinovicFreie Journalistin Service-Team

Ein positiver Schwangerschaftstest gehört zu den aufregendsten Momenten im Leben. Zu der Aufregung und Vorfreude gesellen sich aber auch viele Fragen. Zu den dringendsten und ersten gehören die rund um den Job. Elisabeth Fannin, Mediensprecherin der Gewerkschaft Unia, beantwortet sie.

Unia-Sprecherin Elisabeth Fannin erklärt die wichtigsten Rechte von Schwangeren, Müttern und Vätern am Arbeitsplatz.
Foto: zVg

Frau Fannin, eine Frau im gebärfähigen Alter darf bei einem Vorstellungsgespräch nicht nach der Familienplanung gefragt werden. Wie reagiere ich, wenn dies trotzdem geschieht?
Elisabeth Fannin: Stimmt, die Frage darf nicht gestellt werden, sie ist diskriminierend. Wer sie gestellt bekommt, darf schweigen oder zur Not gar lügen. Allerdings nur, wenn die Frage keinen direkten Bezug zur Stelle hat. Wer mutig ist und sich dabei nicht allzu viel verspielt, darf auch nachfragen: «Was hat Ihre Frage mit meiner zukünftigen Stelle zu tun?» oder «Stellen Sie diese Frage auch meinen männlichen Mitbewerbern?»

Wann muss der oder die Vorgesetzte über die Schwangerschaft informiert werden?
Das Gesetz sieht keinen bestimmten Zeitpunkt vor. Man hat auch das Recht, die Schwangerschaft zu verschweigen. Aus gesundheitlichen Gründen für Mutter und Kind ist es aber ratsam, wenn Vorgesetzte frühzeitig über die Schwangerschaft informiert werden, damit auf die Gesundheit von Mutter und Kind Rücksicht genommen wird. Wenn Sie die Arbeit nicht mehr wie gewohnt ausführen können oder wenn die Gesundheit gefährdet ist, müssen Sie den Arbeitgeber informieren.

Wann kann ich vor der Geburt Urlaub beantragen?
Das Recht auf bezahlten Mutterschaftsurlaub bezieht sich auf die 14 Wochen nach der Geburt. Wenn aber im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) oder in Ihrem individuellen Arbeitsvertrag eine längere Mutterschaftsregelung vereinbart ist, können Sie den Beginn auch vor der Geburt ansetzen. Bei einem Anspruch von zum Beispiel 16 Wochen könnten Sie 2 Wochen vor und 14 Wochen nach der Geburt beziehen. Sollten Sie vor der Geburt gesundheitlich nicht mehr in der Lage sein, Ihre Arbeit auszuführen, können Sie auch in der Schwangerschaft ein ärztliches Zeugnis einholen und sich krankschreiben lassen.

Kann mir gekündigt werden, wenn ich schwanger bin?
Nein. Ihr Arbeitsvertrag kann während der gesamten Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Geburt nicht gekündigt werden. Wenn Sie allerdings selber kündigen oder mit Ihrem Arbeitgeber gemeinsam eine Vertragsauflösung vereinbaren, unterstehen Sie nicht mehr dem Kündigungsschutz. Achtung: In der Probezeit, die maximal drei Monate dauern darf, kann Ihnen auch als Schwangere gekündigt werden.

Mir wurde gekündigt. Nun bin ich in der Kündigungsfrist schwanger geworden. Gilt der Kündigungsschutz trotzdem?
Nein. Ihre Kündigung ist immer noch rechtsgültig, wird aber «eingefroren». Die Kündigungsfrist läuft erst 16 Wochen nach der Geburt weiter. Das heisst, wenn Sie in der 2. Woche der 3-monatigen Kündigungsfrist schwanger wurden, so laufen die restlichen 11 Wochen Kündigungsfrist erst 16 Wochen nach der Geburt weiter.

Wie ist der Mutterschaftsurlaub geregelt?
Erwerbstätige Frauen haben nach der Geburt des Kindes Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von mindestens 14 Wochen. Während dieser Zeit stehen Ihnen 80 Prozent des Lohnes, den Sie vor der Geburt verdient haben, in Form von Taggeldern – dem sogenannten Erwerbsersatz – zu. Dieser berechnet sich in der Regel aus Ihrem Verdienst im letzten Monat vor der Geburt. Bei unregelmässigen Einkommen wird auf die letzten drei Monate vor der Geburt oder in Ausnahmefällen auf einen längeren Zeitraum zurückgegriffen.

Ich möchte mein Kind stillen. Kann ich das im Betrieb tun?
Ja. Im ersten Lebensjahr des Kindes können Sie während der Arbeitszeit im Betrieb stillen. Sie haben das Recht, dazu einen ruhigen und ungestörten Raum zu verlangen. 

Mein Kind ist krank und ich möchte bei ihm bleiben. Habe ich das Recht, freizunehmen?
Ja, der Arbeitgeber muss Ihnen freigeben, damit Sie es betreuen können. Ihnen stehen dazu pro Krankheitsfall bis zu drei Tage zu. Sie müssen ein ärztliches Zeugnis Ihres Kindes vorlegen. Diese Absenzen werden Ihnen als Arbeitszeit angerechnet, wie bei eigener Krankheit, und die Lohnzahlung richtet sich nach Ihren arbeitsvertraglichen Regelungen. Falls die drei Tage nicht genügen, um die Pflege Ihres Kindes zu organisieren, dürfen Sie in begründeten Fällen der Arbeit auch länger fernbleiben. Die Absenz steht beiden Eltern zu, das heisst, sie kann auf sechs Tage kumuliert werden.

Wie sieht es mit Kinderarztterminen während der Arbeitszeit aus?
Der Arbeitgeber muss es Ihnen ermöglichen, diese Termine wahrzunehmen. Allerdings ist es nicht ganz klar, ob diese Zeit auch bezahlt werden muss, hier gibt es eine gesetzliche Unschärfe.

Dürfen Väter den Vaterschaftsurlaub so legen, wie sie wollen, oder beginnt der rechtlich am Tag der Geburt?
Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub beginnt mit der Geburt. Er kann innerhalb von sechs Monaten am Stück oder in Tranchen bezogen werden.

Wie sieht es rechtlich aus, wenn ein Kind schwer erkrankt?
Seit 2021 haben Eltern Anspruch auf 14 Tage Betreuungsurlaub für Akutkranke, der über die Erwerbsersatzordnung (EO) bezahlt wird. Diesen Urlaub können Sie unter sich aufteilen. Das ist natürlich viel zu wenig. Wir empfehlen, mit Betroffenenorganisationen in Kontakt zu treten.

Ist es richtig, dass Eltern im Fall des Todes ihres Kindes nur drei Tage der Arbeit fernbleiben dürfen?
Ja, drei Tage sieht das Gesetz vor. Falls die Eltern in einem Betrieb mit einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) arbeiten, kann der Anspruch länger sein. Bei Coop haben die Angestellten dank des Gesamtarbeitsvertrags beispielsweise Anspruch auf fünf Tage. Das ist natürlich immer noch sehr wenig.

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