Die Strompreise für Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung steigen steil an. Nicht nur zahlen die meisten bereits im laufenden Jahr mehr als 2022, auch für das kommende Jahr steigen die Preise weiter. Im Mittel (Median) legen die Preise um 18,2 Prozent zu, wie die Aufsichtsbehörde Elcom heute darlegte. 32 Rappen bezahlt ein mittlerer Haushalt ab Januar 2024 pro Kilowattstunde Strom.
Das hat mit steigenden Beschaffungskosten an den Strommärkten zu tun. Aber nicht nur, wie Elcom-Chef Urs Meister erklärt. Einige Regionalversorger nutzen auch eine neue Möglichkeit im Gesetz aus, um – je nach Preislage – ihre Gewinne zu steigern. Und das zulasten der gefangenen Kundschaft. Gedacht war diese Bestimmung einst als Förderinstrument für die Schweizer Wasserkraft. Wie geht das?
Noch vor ein paar Jahren sorgte man sich darum, dass Schweizer Wasserkraftwerke unrentabel würden, weil die Marktpreise dauerhaft unter den Produktionskosten dieser Kraftwerke liegen könnten. Wer diesen Strom auf dem freien Markt verkaufen musste, hatte ein Problem.
Haushalte zahlen für Strom 2024 erneut deutlich mehr
Mischtarif war einmal
Die Lösung brachte ein Kniff, der kurzfristig ins Gesetz geschrieben wurde: Stromversorger mit eigenen Wasserkraftwerken sollen den Wasserstrom primär zu vollen Kosten jenen Kundinnen und Kunden verkaufen können, die nicht den Anbieter wechseln können. Günstigeren Importstrom dagegen sollten die Versorger den grossen Marktkunden verkaufen können. Nur Sie können im Schweizer Strommarkt den Anbiter frei wählen.
Zuvor galt ein Mischtarif: Für die Kleinkunden relevant waren die durchschnittlichen Beschaffungskosten über alle Quellen hinweg. Doch kaum eingeführt, profitierten die Kleinkunden plötzlich von der neuen Bestimmung. Denn der Wasserstrom zu Produktionskosten ist mittlerweile billiger als der Importstrom aus Deutschland und Frankreich. Und was machen die Anbieter? Sie wechseln wieder ins alte System zurück, wie die Elcom etwas missmutig beobachtet.
Systemwechsel zum Nachteil der Kundschaft
Oder anders gesagt: Dank der Gesetzesbestimmung können die Stromversorger jedes Jahr aufs Neue ausrechnen, mit welcher der beiden Methoden die gefangenen Kunden den höheren Strompreis bezahlen. Und dann die Tarife entsprechend anpassen.
Der Elcom sind die Hände gebunden, wie Direktor Meister erklärt. Das Gesetz regle oder verhindere solch opportunistisches Verhalten nicht. Was Meister nicht daran hindert, die Bestimmung öffentlich zu kritisieren: «Es ist nicht sinnvoll, dass hier eine Optimierung zulasten der gefangenen Kunden stattfindet», sagt er. «Eine systematische Benachteiligung der Grundversorgten ist nicht Zweck dieser Bestimmung.»
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Die Versorger sollen ihre Praxis kommunizieren
Wie viele Regionalmonopolisten diesen Spielraum im Gesetz nutzen, kann Meister nicht sagen. Es seien einige. Man habe solche, die für den Tarif 2023 eine solche Systemänderung vorgenommen haben, angeschrieben. Die Elcom weise die Versorger darauf hin, dass sie die Systemänderung ihren Kunden kommunizieren müssten. Das wiederum sei nämlich im Gesetz vorgeschrieben, so Meister. Das Kalkül der Elcom: Regionalversorger, die ihr Verhalten transparent machen müssen, verzichten vielleicht auf die umstrittene Praxis. Offenbar haben viele die Praxisänderung nicht kommuniziert.
Um wie viel Geld es dabei geht, kann Meister nicht sagen. Auch nicht, ob es für die nun angemeldeten Tarife 2024 weitere solche Fälle gebe. Anzunehmen ist das allemal.
Elcom geht von Entspannung aus
Für die kommenden Jahre geht die Elcom mittlerweile wieder von einer Preisentspannung aus. Noch wirken sich die Preissteigerungen der letzten Jahre an den Strombörsen auf die Grundversorgerpreise aus, weil viele Regionalversorger über mehrere Jahre gestaffelt einkaufen. Entwickle sich der Markt jedoch so weiter wie zuletzt, könne man davon ausgehen, dass die Preise ab 2025 wieder fallen, sagt Elcom-Präsident Werner Luginbühl.
An der Börse wird Strom mittlerweile wieder zu deutlich tieferen Preisen als noch vor einem Jahr gehandelt. Und so gibt sich die Elcom auch für den kommenden Winter zuversichtlich. Die europäischen Gasspeicher und Schweizer Stauseen seien gut gefüllt, sagt Luginbühl. «Die Schweiz ist gut vorbereitet.»