Der Lausanner Arthur V.* ist wütend. «Es ist einen Monat her, dass ich Assura eine Rechnung über rund 700 Franken zur Rückerstattung geschickt habe», sagt der junge Waadtländer, der anonym bleiben will. «Ich habe noch immer nichts auf meinem Konto erhalten, das ist nicht normal!» Anruf bei der Assura: Ein Mitarbeiter vertröstete V., die Bearbeitungszeit betrage mindestens 25 Tage. Er müsse sich nun halt bis Anfang 2023 gedulden.
V. ist besorgt. Seine Therapie und Arztkosten schwanken jeden Monat zwischen 650 und 750 Franken. «Wenn ich meine Miete, die Krankenkassenprämien und alles andere bezahlt habe, habe ich weniger als 1500 Franken für Essen und Kleidung übrig. Diese Arztrechnungen fallen schwer ins Gewicht.»
Assura, sie zählt zu den grössten Krankenversicherungen der Schweiz, wendet in der Regel das Prinzip des «Tiers garant» an. Das bedeutet, dass die versicherte Person ihre Medikamente, sofern sie unter 200 Franken kosten, oder ihren Arztbesuch selbst bezahlen muss, bevor sie die Kosten zurückfordern kann.
«Ich wurde gewarnt ...»
Nicht nur Patienten, sondern auch Gesundheitsdienstleister haben Probleme mit der Assura. Blick sprach mit einer Psychologin und Psychotherapeutin aus der Genferseeregion, die ebenfalls anonym bleiben möchte. «Bei Assura habe ich Sorgen, die ich bei anderen nicht habe», sagt die Frau.
Sie schicke die Rechnungen ihrer Patienten direkt an die Versicherung, die diese dann der versicherten Person wieder in Rechnung stellt, etwa wenn ihre Franchise nicht erreicht wird. «In diesem Fall habe ich am 31. August eine Rechnung an Assura geschickt und drei Monate später immer noch kein Geld gesehen. Das ist unglaublich!», sagt die Therapeutin. Überrascht habe sie das nicht. «Ich wurde gewarnt, dass es bei Assura Verzögerungen gibt.»
Keine verbindliche Frist
Was sagt das Gesetz? Jean Tschopp, Jurist und Berater der Westschweizer Konsumentenschutzorganisation FRC, antwortet auf die Frage von Blick: «Es gibt keine verbindliche Frist für die Rückerstattung durch die Versicherer. In der Regel nimmt der Krankenversicherer die Rückerstattung jedoch innerhalb von 30 Tagen vor, nachdem er die Abrechnung durch den Versicherten oder die Rechnungen vom Leistungserbringer erhalten hat.»
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) führt Kontrollen durch. Die Versicherer, deren durchschnittliche Rückerstattungsfrist 30 Tage überschreitet, werden aufgefordert, die Rückerstattungsfristen zu optimieren und die den Versicherten zustehenden Leistungen innerhalb einer angemessenen Frist auszuzahlen, sagt Tschopp von der FRC.
Praktiker lehnen Assura-Versicherte ab
Mitte Oktober berichtete die Zeitung «Arcinfo» im Kanton Neuenburg über ein «angespanntes Klima» zwischen den Ärzten des Uhrenkantons und dem im waadtländischen Pully ansässigen Krankenversicherer. Einige Praktiker gingen sogar so weit, dass sie Personen ablehnten, die bei Assura waren.
«Mehr als 80 Prozent der administrativen Probleme, die wir derzeit haben, kommen von dieser Kasse», sagt ein Allgemeinmediziner der lokalen Tageszeitung. Dominique Bünzli, Präsident der Neuenburger Gesellschaft für Medizin (SNM), beklagte die administrative Desorganisation bei Assura. Andere weisen auf den Rückstand bei der Digitalisierung der Kostenerstattungen hin.
Auch das kantonale Gesundheitsdepartement intervenierte bei der Assura. Die SNM tat es auch. In den darauffolgenden Tagen wurde laut «Arcinfo» Anfang November ein Treffen zwischen der SNM und der Direktion der Kasse organisiert.
Offenbar zur Zufriedenheit der Parteien. Die Assura hatte in diesem Rahmen «Zahlungsfristen eingeräumt, die aufgrund der vollständigen Erneuerung ihrer IT-Infrastruktur und ihrer Prozesse zur Verwaltung der Kundenbeziehungen über ihrer üblichen Praxis lagen», so die SNM. Assura versprach, dass bis Ende November alles wieder in Ordnung sein würde.
«Unsere durchschnittliche Frist beträgt 18 Tage»
Am 30. November war dies offensichtlich nicht der Fall. Wie kommts? Karin Devalte, Sprecherin von Assura, erklärt: «Ich kann sagen, dass unsere durchschnittliche Frist für die Erstattung von Rechnungen für Pflegeleistungen derzeit 18 Tage beträgt. Dies ist eine übliche Frist in Zeiten, in denen unsere Dienste stark in Anspruch genommen werden.»
In ihrer E-Mail an Blick räumt die Sprecherin jedoch ein, dass es zu Bearbeitungsfristen von rund 25 Tagen kommen könne. Im Fall von Arthur V.* dauert die Wartezeit bereits mehr als 25 Tage, wie Dokumenten belegen, die Blick vorliegen. Die Assura wollte sich zum spezifischen Fall nicht äussern.
Auf dem Weg der Besserung
Die Sprecherin betont aber, dass Assura Massnahmen ergriffen habe, um «die Kommunikation mit den [Neuenburger] Ärzten zu erleichtern und ihre administrativen Schritte zu vereinfachen.» Sie erinnert auch daran, dass es illegal ist, «einen Patienten aufgrund seiner Mitgliedschaft bei einer bestimmten Krankenkasse abzulehnen.» Diese Aussage wird von einigen Ärzten bestritten.
Baptiste Hurni, Präsident der Schweizerischen Patientenvereinigung, stellt ebenfalls eine Verbesserung fest. «Es gab tatsächlich bis Mitte des Sommers sehr viele Probleme mit der Assura, weil sie ihr Informatiksystem komplett umgestellt hat», bestätigt der SP-Nationalrat aus Neuenburg. «Seit dem Herbst erhalten wir jedoch weniger Beschwerden über diese Krankenkasse. Die Dinge scheinen sich zu normalisieren und die Assura scheint die Sache ernst zu nehmen.»
*Name der Redaktion bekannt