Letzte Patienten wechseln gerade noch ihr Krankenkassen-Modell. Und viele wollen mit dem Telemedizin-Modell ein bisschen Geld sparen. Dabei muss vor jedem Arztbesuch eine telefonische Konsultation erfolgen. Wer sich aber nicht an die Auflagen hält, könnte bald selber auf einer umso grösseren Rechnung sitzenbleiben.
Der Krankenkassen Fairness-Check des Konsumentenschutzes untersuchte die Versicherungsbestimmungen 2023 und stellte fest: Bei Assura, Concordia, Helsana, Swica und Visana drohen in den bereits beim ersten Verstoss mit äusserst kostspieligen Sanktionen – ohne Vorwarnung. Ob der Verstoss versehentlich, scheint dabei egal zu sein.
Das Problem: Der Konsumentenschutz stützte sich dabei nur auf die Vertragsbestimmungen – und nicht auf die reale Praxis der Versicherungen. Diese wehren sich nun.
Krankenkassen weisen Vorwürfe zurück
Die Swica etwa widerspricht: «Die Sanktionen sind als ‘kann’ formuliert und werden mit Augenmass umgesetzt», sagt eine Sprecherin. Im Grundsatz gelte, wer sich für ein alternatives Versicherungsmodell entscheide, müsse sich an die Vorgaben des Modells halten, um vom Rabatt zu profitieren. Die Vorlagen werden «klar und transparent» kommuniziert – sowohl auf der Website, dem Flyer als auch via Beratung.
Swica kann die Vorwürfe des Konsumentenschutzes deshalb nicht nachvollziehen. «Was genau soll daran nicht transparent sein?», sagt die Sprecherin weiter. Bei Swica setzen rund 20 Prozent der Kunden auf ein Telmed-Modell.
Auch Concordia wehrt sich gegen die Vorwürfe. Der Versicherer greift nach eigenen Angaben erst bei der dritten Mahnung durch. Als Konsequenz werden die Kundinnen und Kunden ins reguläre obligatorische Krankenpflegeversicherungs-Modell umgeteilt.
Concordia kann auch wegen eines Reglements gar nicht ab dem erstmaligen Verstoss reagieren. Sanktionen werden nur ergriffen, wenn «die versicherte Person in nicht zu entschuldigender Weise» ihren Pflichten zuwiderhandelt.
Ermahnungen zeigen Wirkung
Auch Helsana rügt seine Kunden laut eigenen Angaben nicht ohne Vorwarnung und auch nicht bereits ab dem ersten Verstoss. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Ermahnung, sich künftig an die Regeln zu halten, sehr wirksam ist», sagt eine Sprecherin gegenüber Blick. Helsana weist die Vorwürfe somit ebenfalls klar zurück. Erst unter «Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit» würden Sanktionen folgen.
Visana weist darauf hin, dass der Check des Konsumentenschutzes nicht stimme. Auch bei Telmed-Modellen sei Visana kulant und fair zu ihren Kundinnen und Kunden. «Anderslautende Behauptungen sind komplett falsch», sagt ein Sprecher.
Dem Krankenkassenverband Santésuisse sind keine konkreten Fälle bekannt, bei denen Krankenkassen bereits ab einem ersten Vergehen ohne Vorwarnung sanktionieren. «Krankenversicherer lassen in Praxis Kulanz walten», sagt Matthias Müller, Mediensprecher, gegenüber Blick.
Konsumentenschutz kennt Fälle
Von konkreten Fällen weiss dafür der Konsumentenschutz. «Deshalb haben wir das Thema überhaupt aufgegriffen», sagt Chefin Sara Stalder (56). Man habe für den Fairness-Check die Vertragsbedingungen der verschiedenen Versicherer mittels künstlicher Intelligenz ausgewertet.
Es könne sein, dass die Krankenkassen in der Praxis kulanter seien, als in den Vertragsbedingungen angegeben, räumt Stalder ein. «Bei guten Kunden ist man dann halt vielleicht eher kulant.» Der Konsumentenschutz wünscht sich deshalb, dass diese Kulanz bereits in den Vertragsbedingungen festgehalten ist.
Die Krankenkasse Assura bestätigt im Gegensatz zur Konkurrenz die Angaben des Konsumentenschutzes. «Gemäss unseren Bedingungen gilt die Verweigerung der Kostenübernahme für Leistungen ab dem ersten Verstoss», teilte ein Sprecher mit.
Aber selbst die Assura zeigt Kulanz: Sie verweigert die Kostenübernahme nicht von Anfang an. Sondern sie gibt ihren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, die erforderlichen Dokumente im Nachhinein vorzulegen. In den Vertragsbedingungen steht aber nichts davon.