Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft fast aller Länder nachhaltig getroffen. Ein Land hat aber in den letzten drei Jahren vor allem mit massiven Investments und einer ambitionierten Zukunftsvision von sich reden gemacht: Saudi-Arabien.
Diese bereits 2016 formulierte Zukunftsstrategie nennt sich «Vision 2030». Deren grundlegendes Ziel lautet: das Land aus der Abhängigkeit von Öl und Gas zu führen. Solange das Geld in diesem Sektor noch sprudelt, wird es in die Transformation des Landes investiert. Dieser Wandel umfasst sowohl die zunehmend diversifizierte Wirtschaft als auch die saudische Gesellschaft als Ganzes.
Wohin das Land damit steuert, wird anhand der Kerninitiativen deutlich. Diese sind:
Tourismus und städtische Entwicklung
Bisher empfängt Saudi-Arabien vorwiegend Millionen islamischer Pilger, die die religiös vorgeschriebenen Reisen nach Mekka oder Medina unternehmen. Künftig sollen auch Millionen nicht-muslimische Touristen das Land besuchen. Die Insel Sindalah, die Ski-Arena Trojena und weitere Elemente des Megaprojekts Neom am Roten Meer sollen dafür sorgen.
Im Rahmen von Neom entstehen zudem futuristische Städte: etwa The Line oder die Technologiestadt Oxagon. Bereits fertig: Die Hauptstadt Riad hat für 20 Milliarden Dollar ein neues Viertel namens Diriyah Gate erhalten, das sowohl für Einheimische als auch für Touristen gedacht ist.
Privatisierung, KMU und Bildung
Bemerkenswert ist der Übergang von einem zentralistischen Modell zu einer von Unternehmern geführten Wirtschaft. Diverse, aber bei weitem nicht alle staatlichen Vermögenswerte und Dienstleistungen werden privatisiert. Das soll die Qualität und Effizienz öffentlicher Dienstleistungen verbessern. Interessant: Mit dem Börsengang eines Teils des staatlichen Ölförderers Saudi Aramco wird Geld zur Förderung von KMU gewonnen. Deren Anteil am BIP soll von aktuell 20 auf 35 Prozent steigen.
Der Fokus der Energieproduktion verschiebt sich hin zu erneuerbaren Energien. Darüber hinaus modernisiert Saudi-Arabien seine Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Letzteres trug auch dazu bei, dass das Land gut durch die Covid-Krise kam.
Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur
Gut 133 Milliarden Dollar investiert Saudi-Arabien in die Verbesserung von Häfen, Strassen und Bahnlinien. 8080 Kilometer neue Schienenwege verbinden Hafenstädte und das Landesinnere besser. Im Luftverkehr wollen die Hauptstadt Riad und die Küstenstadt Jeddah wichtige Knotenpunkte sein.
Die staatliche Fluggesellschaft Saudia expandiert konsequent. Seit Jahren fliegt sie nach Genf, seit 2022 auch nach Zürich. Ab 3. Februar fliegt sie neu ab Zürich auch nach Jeddah.
IT-Infrastruktur
Saudi-Arabien will ein Tech-Hub sein. Der saudische Kommunikations- und IT-Minister Abdullah Al-Swaha sagte am WEF in Davos: «Wir wollen eine führende Rolle dabei spielen, die gesamte Welt ans Internet anzuschliessen.» Die Welt sei hinsichtlich technologischer Ausstattung noch zu fragmentiert. Für den Aufbau leistungsstarker satellitenbasierter Netzwerke hat Saudi-Arabien ihm zufolge schon eine halbe Billion Dollar investiert.
Rohstoffe
Minen statt Bohrtürme: Die Bergbauindustrie ist ins Zentrum gerückt. Saudi-Arabien verfügt über sieben Prozent der globalen Phosphat-Reserven und fördert beträchtliche Mengen an Bauxit, Gold, Kupfer oder Zink.
Sport
«Vision 2030» will «die Anzahl und Vielfalt der Kultur- und Unterhaltungsaktivitäten» fördern. Dies erklärt das Engagement für Sport im Land. Seit 2021 gibt es Formel-1-Rennen in Jeddah. Dazu gesellen sich Sportereignisse aus den Bereichen Tennis, Wrestling, Golf, Pferderennen oder auch Fussball – die Finals des italienischen und spanischen Supercups wurden schon in Saudi-Arabien ausgetragen. Das erklärte Fernziel ist aber die Austragung von Mega-Events wie Fussball-WM oder Olympische Spiele. Kurios: 2029 werden die asiatischen Winterspiele in Saudi-Arabien abgehalten, im Ski-Resort Trojena.
Lob und Kritik Seite an Seite
Kristalina Georgieva (69), Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds, attestiert Saudi-Arabien im Rahmen des WEF einen «beeindruckenden Fortschritt» bei der Umsetzung all dieser Initiativen. Angesichts vieler schwächelnder Volkswirtschaften brauche es das wachstumsorientierte Saudi-Arabien für die Weltwirtschaft mehr denn je. Das Land spiele eine wichtige Rolle für die Sicherheit der Energieversorgung oder als Phosphathersteller auch für die Nahrungsmittelversorgung.
Nimmt man die Höhe und Menge an Investments als Massstab, ist Saudi-Arabien definitiv ein «Land auf der Überholspur». Am WEF wurde auch fleissig über die wachsende Inklusion von Frauen im Land diskutiert. Die erste Botschafterin des Landes, Reema Bandar al Saud, spricht davon, dass Lohngleichheit bereits Tatsache sei und 35 Prozent der Arbeitnehmenden Frauen seien.
Das ist aber mit Vorsicht zu geniessen. Die Botschafterin entstammt selbst der Königsfamilie. Und noch sind die angestrebte Verbesserung der Frauenrechte und die im Land praktizierte Scharia nicht wirklich kompatibel.
Angesichts der zweifelhaften Menschenrechtsbilanz des Landes gibt es ohnehin nicht nur euphorisches Feedback. Gerade der Einstieg der Saudi National Bank bei der Credit Suisse in der Schweiz rief zahlreiche Kritiker auf den Plan. Dazu ist China der grösste Handelspartner des Landes.