«Es geht um unsere Existenz»
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Die Weko solls richten:«Es geht um unsere Existenz»

Kleine Karosseriebetriebe zeigen Emil Frey an
«Es geht um unsere Existenz»

Die Emil-Frey-Tochter Jaguar Landrover Schweiz AG weigert sich, Ersatzteile an unabhängige Karosseriebetriebe zu liefern. Das lassen diese sich nicht gefallen und reichen eine Anzeige bei den Wettbewerbshütern ein.
Publiziert: 21.06.2021 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 24.06.2021 um 13:47 Uhr
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Kleine Karosseriebetriebe haben sich zusammengeschlossen ...
Foto: Siggi Bucher
Christian Kolbe

Es ist ein klassischer David-gegen-Goliath-Kampf. Wobei David keine Steinschleuder benutzt, um sich zu wehren, sondern eine Anzeige bei der Wettbewerbskommission (Weko). Die Anzeige soll noch diese Woche bei der Weko eingereicht werden.

Goliath, das ist die Autogrosshändlerin Emil Frey AG und eine ihrer Töchter, die Jaguar Land Rover Schweiz AG (JLR). Die Emil-Frey-Gruppe ist inzwischen in Europa zum grössten unabhängigen Autohändler aufgestiegen. In der Schweiz erzielte Emil Frey 2020 gemäss «Handelszeitung» einen Umsatz von knapp drei Milliarden Franken und beschäftigte etwas mehr als 3800 Mitarbeitende.

David, das ist Swissgarant, eine kleine Interessengemeinschaft von zwölf Instandsetzungsbetrieben, also von Karosserie-Werkstätten, die Blechschäden und Unfallautos reparieren. Alles in allem mit ein paar Millionen Franken Umsatz und ein paar Dutzend Mitarbeitern.

Streit um Ersatzteile

Der Präsident von Swissgarant, Christoph Flückiger (61), Geschäftsführer der Flückiger AG in Oftringen AG, klagt Blick seine Sorgen und Nöte im Kampf gegen Goliath. Schildert einen Fall, als er im benachbarten Safenwil AG bei Emil Frey für die Reparatur eines Land Rovers Ersatzteile aus Aluminium bestellen wollte. Kostenpunkt der gesamten Reparatur inklusive Arbeit und Ersatzteile: Rund 12'000 Franken.

Doch statt einer Lieferung erhielt Flückiger folgende Antwort: «Dieses Fahrzeug muss zu uns in die Reparatur, da wir die Seitenwand nur für uns bestellen können.»

Erstaunlich: Zwei Tage später konnte die Flückiger AG die Ersatzteile problemlos im Ausland beziehen, Blick hat die Lieferscheine gesehen. «Hätte der Hersteller tatsächlich etwas gegen die Lieferung an unabhängige Reparaturbetriebe, wäre das nicht möglich», ist Flückiger überzeugt. Zudem stelle Land Rover Reparaturanleitungen ins Netz. Dazu hätten auch Unabhängige Zugang.

Das Wissen ist vorhanden

Blick will von Emil Frey wissen, warum die Ersatzteile nicht geliefert wurden. Auf Anfrage schreibt die Tochter JLR: «Bei den Aluminium-Strukturteilen handelt sich um Teile, die der Hersteller als sicherheitsrelevant betrachtet.» Diese würden nur an zertifizierte Partner ausgeliefert.

Auf die Frage, warum sich die Aluminiumteile problemlos im Ausland beschaffen lassen, geht JLR nicht ein.

Flückiger kennt sich mit komplizierten Reparaturen moderner Autos aus: «Bereits 1994 lancierte Audi das erste Serienmodell in vollständiger Aluminiumkonstruktion. Wir verfügen über die Expertise, um auch Karosserien aus Aluminium zu reparieren.» Mittlerweile ist das Karosseriegewerbe noch komplexer geworden, moderne Autos sind in Multi-Material-Bauweise konstruiert. Auch das beherrscht Flückiger, wie einige BMW, Porsche oder Teslas beweisen, die zur Reparatur in seinem Betrieb stehen.

Diese Stiftung hilft kleinen Firmen im Kampf gegen die grossen

Kleinen Firmen fehlen oft die finanziellen Mittel, wenn sie ihr Recht vor Gericht erstreiten wollen. Der Kampf gegen die grossen kann teuer werden. Wenig erstaunlich, geben KMU schnell klein bei, verzichten darauf, sich zu wehren, wenn es zum Streit kommt. Etwa wenn es um Fragen von Wettbewerb und Marktmacht geht.

Das will die Stiftung KMU für Rechtsdurchsetzung nun ändern. Denn gemeinsam sind auch die Kleinen stark, so der Grundgedanke von Patrick Krauskopf (54). Der Anwalt und Professor für Kartellrecht an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) will den KMU helfen, indem er ihre Interessen bündelt – juristisch, medial und auch politisch.

Dazu hat er prominente Mitstreiter in den Stiftungsrat geholt. Zum Beispiel die Nationalräte Matthias Aebischer (53, SP), Damien Cottier (46, FDP) und Lars Guggisberg (43, SVP) oder Wirtschaftsgrössen wie Peter Odermatt (57, Bio-Familia) und Kenny Eichenberger (66, Kenny's Auto-Center). Als Erstes nimmt die Stiftung den Autohandel und die Techgiganten ins Visier. (koh)

Kleinen Firmen fehlen oft die finanziellen Mittel, wenn sie ihr Recht vor Gericht erstreiten wollen. Der Kampf gegen die grossen kann teuer werden. Wenig erstaunlich, geben KMU schnell klein bei, verzichten darauf, sich zu wehren, wenn es zum Streit kommt. Etwa wenn es um Fragen von Wettbewerb und Marktmacht geht.

Das will die Stiftung KMU für Rechtsdurchsetzung nun ändern. Denn gemeinsam sind auch die Kleinen stark, so der Grundgedanke von Patrick Krauskopf (54). Der Anwalt und Professor für Kartellrecht an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) will den KMU helfen, indem er ihre Interessen bündelt – juristisch, medial und auch politisch.

Dazu hat er prominente Mitstreiter in den Stiftungsrat geholt. Zum Beispiel die Nationalräte Matthias Aebischer (53, SP), Damien Cottier (46, FDP) und Lars Guggisberg (43, SVP) oder Wirtschaftsgrössen wie Peter Odermatt (57, Bio-Familia) und Kenny Eichenberger (66, Kenny's Auto-Center). Als Erstes nimmt die Stiftung den Autohandel und die Techgiganten ins Visier. (koh)

Vorwurf Wettbewerbsverzerrung

An Know-how mangelt es nicht, aber an Ersatzteilen von JLR. Swissgarant hat weitere Fälle zusammengetragen, diese sind ebenfalls Bestandteil der Anzeige bei der Weko. Konkret heisst es dort: «JLR hat ein unzulässiges selektives Vertriebssystem errichtet, das den Wettbewerb beseitigt bzw. zumindest erheblich beeinträchtigt.» Zudem verfüge JLR über eine marktbeherrschende Stellung und missbrauche diese zum Wettbewerbsnachteil von Werkstätten und Konsumenten.

Das sieht JLR anders: «Unser Vertriebssystem erachten wir als kartellrechtskonform, da allen zugelassenen und unabhängigen Werkstätten und Händlern die Zertifizierungskriterien offenstehen und diese diskriminierungsfrei angewendet werden.»

Um die Aussage zu unterstreichen, nennt JLR die fünf Carrosserie-Betriebe, die für den komplexen Reparaturprozess zugelassen sind: die JLR-Vertretungen Emil Frey AG in Safenwil AG, Ledi Garage in Feutersoey BE und Autobritt in Genf-Acacias. Dazu kommen die Carrosserie Spiez AG und die Carrosserie Werke in Biel-Nidau.

Tatsächlich: Ausser dem Betrieb in Safenwil gehört keiner der anderen zur Emil-Frey-Gruppe. Die beiden spezialisierten Carrosserie-Werkstätten sind sogar völlig unabhängig.

«Das Geschäft ist rauer geworden»

Flückiger lässt das nicht gelten: «Wir wollen gar nicht Teil des Netzes von JLR sein, wir wollen einzig Ersatzteile, um die Unfallfahrzeuge unserer Kunden reparieren zu können.»

In der Anzeige sind nur wenige Fälle dokumentiert. Rechtsanwalt Patrick Krauskopf (54) glaubt, das sei nur die Spitze des Eisbergs: «Es ist nicht unüblich, dass mit mehr oder weniger Raffinesse die Lieferung von Ersatzteilen unterbunden wird.» Krauskopf war früher Vizedirektor der Weko, hat für Swissgarant die Anzeige ausgearbeitet: «Die Gründe für die Ablehnung sind meines Erachtens nur vorgeschoben. Es geht darum, JLR vor zu viel Wettbewerb zu schützen.»

Auch für Flückiger ist die Zahl der Fälle nicht entscheidend: «Mit der Anzeige will Swissgarant dieser Praxis einen Riegel schieben, bevor sie weiter um sich greift. Es geht auch um unsere Existenz», schiebt er nach. «Das Geschäft ist rauer geworden, die Margen werden kleiner.»

Moderne Autos sind nicht nur robuster, mit all ihren Assistenten bremsen sie selbständig oder weichen Hindernissen aus. Das Ergebnis: Noch weniger Unfälle oder «Blechschäden». Das ist einerseits erfreulich, andererseits schlecht fürs Geschäft aller Instandsetzungsbetriebe – egal, ob Teil eines Grosshändlers oder unabhängig.

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