Im richtigen Leben sprudelt Arsène Junior Page (28) nur so vor Ideen. In der SRF-Serie «Tschugger» spielt er mit Juni einen tollpatschigen Kleinkriminellen. Erst will Juni mit Drogenschmuggel das grosse Geld verdienen. Dann mit einem Enkeltrickbetrug. Juni ist in der Serie der nette, etwas dümmliche und dauerbekiffte Freund und Manager der Möchtegern-Rapperin Valmira. In dieser Rolle ist er derzeit auf den Kinoleinwänden in «Tschugger – der lätscht Fall» zu sehen.
Im echten Leben verdient Page seine Brötchen mit ehrlicher Arbeit. Er hat im Januar gemeinsam mit einem Freund die Kultbeiz De La Place in Brig VS, wo er aufgewachsen ist, übernommen. Ein Sprung ins kalte Wasser. Wie damals, als er ohne Schauspielerfahrung an einem Casting für Tschugger teilgenommen hat.
Filmrolle öffnet Türen
Beim Besuch von Blick ist Page gerade dabei, die Beiz vorzubereiten. Das De La Place öffnet um halb elf Uhr. Page nimmt die Kaffeemaschine in Betrieb, putzt Tische ab. Dass er nun ein Restaurant führt, habe auch mit seiner Rolle als Juni zu tun. «Ohne Tschugger hätte mir nie jemand das nötige Geld gegeben. Das hat mir schon ein paar grosse Türen geöffnet.»
Page ist ein Draufgänger und Lebenskünstler. «Alle paar Wochen schlage ich mir irgendwo ein Zahnstück ab», sagt er, lacht und lässt seinen Goldzahn aufblitzen. Sein Lebenslauf: Snowboardwettkämpfe in jungen Jahren. Snowboardlehrer. Sportartikelvertreiber. Laienschauspieler. Und neu eben Amateur-Beizer. Mit seiner Filmrolle habe er nur wenig gemeinsam. «Auch wenn ich von Gästen immer wieder höre, ich sei ja genau gleich wie in Tschugger.»
Harziger Start ins Gastro-Business
Zwischen der Arbeit am Filmset und im De La Place sieht Page aber durchaus Parallelen. Die langen Arbeitstage sind geblieben. «Und es geht darum, die Leute glücklich zu machen. Sie sollen Fan von der Beiz werden.» Im Restaurant setzt er dafür auf Service, eine bodenständige Küche, die satt macht, und den direkten Kontakt. «Ich rede viel mit unseren Gästen. Sie sollen sich wohlfühlen.»
Trotzdem war der Start in die Gastro-Karriere harzig. Auch im Wallis ist der Betrieb eines Restaurants schwieriger geworden. Dorfbeizen schliessen. Die Menschen trinken nicht mehr von morgens bis abends Alkohol. Entgegen dem Klischee, das gerade auch in Tschugger bedient wird.
Das Wallis und die vielen Klischees
Mit zunehmender Erfahrung und dank Events läuft das Geschäft inzwischen ganz gut, so Page. «Die Leute wissen, dass sie im De La Place eine angenehme Atmosphäre finden. Reich wird man mit der Beiz aber sicher nicht.» Die Schüler vom «Bildungshügel», wie man den Standort der zwei nahe gelegenen Mittelschulen in Brig nennt, kommen wieder. Auch die Stammgäste sind zurück: «Und sie trinken gerne Weisswein», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Weisswein, Raclette, Korruption: Die Klischees übers Wallis sind in der «Üsserschwitz» – wie man die Deutschschweiz hier nennt – weit verbreitet. Walliserinnen und Walliser sind freiheitsliebend. Und der Kanton ist im Grunde genommen ein grosses Dorf, in dem jede jeden kennt. Auch Tschugger spielt mit diesen Bildern. Auf liebevolle Weise, so das Urteil der vielen Fans der Serie. Schlechte Werbung und völlig übertrieben, finden einige Einheimische, die mit der Serie wenig anfangen können. «Man muss auch mal über sich selbst lachen können», findet Page. Doch was ist dran an den Klischees?
«Korruption gibt es überall»
«Walliser sind gesellig, sitzen gerne zusammen und haben einen guten Durst», sagt Page und führt aus. «Korruption gibt es überall, davor bleibt wohl auch das Wallis nicht verschont.» Er ist mit dem Journalisten Kurt Marti (64) befreundet, der vor Jahren das Buch «Tal des Schweigens», ein Werk über krasse Fälle von Machtmissbrauch, Parteifilz und Korruption im Wallis geschrieben hat. Der Inhalt würde gut und gerne für viele weitere «Tschugger»-Staffeln herhalten. Doch nach der vierten Staffel, die Ende November auf SRF läuft, ist Schluss.
Bei Page in Brig geht es hingegen gleich los. Es ist bald halb elf Uhr. Das De La Place ist bereit, die ersten Gäste zu begrüssen. Nach zehn Monaten ist er voll angekommen. An ein Comeback als Schauspieler glaubt er nicht. Warum auch. Er lebt und arbeitet schliesslich in einer Filmkulisse.