Kampf gegen Trittbrettfahrer
Das WEF gründet seine eigene zweite Liga

Das WEF schlägt im Kampf gegen Trittbrettfahrer einen neuen Weg ein: Partnerfirmen des Forums können neu selbst Veranstaltungen in Davos GR organisieren. Das kostet aber.
Publiziert: 18.01.2025 um 15:43 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2025 um 15:56 Uhr
WEF-Gründer Klaus Schwab tritt mit einem neuen Veranstaltungsformat gegen die Trittbrettfahrer in Davos an.
Foto: AFP

Auf einen Blick

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Holger Alich
Handelszeitung

Die Ambitionen sind gross: Das World Economic Forum (WEF), das ab Montag mit der Jahrestagung seinen wichtigsten Event abhält, will nichts weniger als «den Zustand der Welt verbessern (improving the state of the world)». Neben grossen Ambitionen geht es in Davos aber auch immer um das grosse Geld. Und der Kampf im Geschäft mit und um das WEF wird härter.

Zum einen versucht die Gemeinde Davos, mit Beschränkungen von Temporärbauten der sogenannten Trittbrettfahrer Herr zu werden – also der Firmen, die selbst nichts mit dem WEF zu tun haben, die aber für sechsstellige Beträge Liegenschaften an der Davoser Promenade mieten und umbauen, um dort eigene Veranstaltungen im Windschatten des WEF abzuhalten – wie das zum Beispiel diverse Firmen aus dem Bereich Kryptofinanzen tun

Neue Veranstaltungsreihe des WEF

Aber auch WEF-Gründer Klaus Schwab selbst geht nun gegen die Geschäftemacherei im Windschatten seines Forums vor. Und startet dafür in diesem Jahr ein neues Angebot: das «Davos Accredited Programme».

Vereinfacht gesagt, können dabei Partnerfirmen des Forums ihre eigenen Veranstaltungen in Davos durchführen – gegen Bezahlung, wie WEF-Sprecher Samuel Werthmüller erklärt. Das neue Konzept solle «einen Beitrag leisten, dem zunehmenden Wildwuchs von Aktivitäten von Trittbrettfahrern Einhalt zu gebieten», erklärt er.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Salopp formuliert schafft das WEF damit eine Art zweite Liga: neben den originären Panels des WEF im Davoser Kongresszentrum erlaubt das WEF neu Veranstaltungen, die Partnerfirmen auf die Beine stellen.

Diese bezahlten Events finden aber nicht im Kongresszentrum statt. Das bleibt dem eigentlichen WEF-Treffen vorbehalten. Die neuen Firmenevents sollen vielmehr in einem zusätzlichen Tagungscenter stattfinden. Sie sollen dennoch in die Agenda der offiziellen WEF-App aufgenommen und auch darüber gestreamt werden, so WEF-Sprecher Werthmüller.

45’000 Franken für bis zu zehn Sessions

«Im Rahmen des Davos Accredited Programme können Partner ihre eigenen Veranstaltungen durchführen, die mit der Mission und den Werten des Forums übereinstimmen», erklärt er. Das WEF prüfe dabei die Veranstaltungen vorab inhaltlich, um sicherzustellen, dass sie das offizielle Programm nicht konkurrenzieren und die WEF-Standards einhalten.

Laut Angaben des Forums können Unternehmen bis zu zehn Podiumsdiskussionen in der App für Davos-Teilnehmer live streamen und vermarkten, wenn sie 45'000 Franken zahlen. Zudem werden in dem neuen Komplex auch Konferenzräume vermietet, sie sollen rund 150'000 Franken für eine Woche kosten.

Für die neue, bezahlte Veranstaltungsreihe Davos Accredited Programme schafft das WEF auch gleich noch eine neue Kategorie von Zugangskarten, den sogenannten Badges: Sie sollen 1000 Franken pro Person kosten.

Wichtig: Die Träger dieser neuen Badges bekommen damit keinen Zugang zum Kongresszentrum – denn das platzt heute schon mit rund 2800 Teilnehmenden plus ihren Zuträgern und dem Journalistentross aus allen Nähten.

Das WEF hat immer mehr Geld

Werthmüller widerspricht zudem Berichten der «Financial Times», denen zufolge durch die neue Veranstaltungsreihe und die dazugehörigen Badges die Zahl der Zugangskarten steigen werde. «Es gibt keine Pläne, die Gesamtzahl der Badges zu erhöhen.» Zudem sei das neue Programm keine Geldmaschine, das WEF habe «erhebliche Investitionen» in die neue Infrastruktur gemacht, zudem ist das Forum eine Non-Profit-Organisation.

In der Berichtssaison 2023/2024 mit Stichtag Ende Juni erwirtschaftete das Forum 440 Millionen Franken Einnahmen – die von entsprechenden Ausgaben wieder aufgezehrt wurden. Allfällige Überschüsse werden in die Kapitalreserven gebucht: Die Bilanz des WEF weist Barreserven von 215 Millionen Franken sowie Finanzwerte von 375 Millionen Franken aus. 

Getragen wird das Forum von den 884 Partnerfirmen, die das Who-is-who der Weltwirtschaft repräsentieren. Sie zahlen pro Jahr Beiträge, die von 180'000 bis zu 850'000 Franken reichen. Je hochwertiger die Partnerschaft, an umso mehr Veranstaltungen des WEF können die Partnerfirmen teilnehmen, zudem bekommen sie ein grösseres Kontingent an den begehrten Teilnehmer-Badges für das Jahrestreffen in Davos. In der höchsten Liga, den «Strategic Partners», tummeln sich gut hundert Topkonzerne, die Liste reicht von ABB und Amazon über Goldman Sachs und Google bis zu VW und Zurich.

Beim WEF-Treffen in Davos tobt ein gnadenloser Kampf um die Aufmerksamkeit. Interessanterweise toleriert das WEF dabei, dass die grossen Medienkonzerne sich hier mittlerweile nicht auf die Rolle der Berichterstatter konzentrieren, sondern längst selbst zu Nebenveranstaltern geworden sind.

Die heikle Doppelrolle von FT, Bloomberg und Co.

Im vergangenen Jahr hatte zum Beispiel Open-AI-Chef Sam Altman seinen meistbeachteten Auftritt nicht beim WEF selbst, sondern im «Bloomberg House». Dabei wurde er von einem Bloomberg-Journalisten interviewt. Gleich im Anschluss an das Gespräch folgte dann eine bezahlte Veranstaltung.

Die «Financial Times» ist nach eigenen Angaben bereits seit 15 Jahren mit seinen eigenen Davos-Veranstaltungen vor Ort, die ebenfalls zum Teil gesponserte Events umfassen. Nach gleichem Muster ist das «Wall Street Journal» mit seinem «Journal House» präsent und verkauft dort ebenfalls Events, ebenso Reuters und andere.

Die FT vermarket die Events unter der Submarke «FT Live», die Preise für Davos-Veranstaltungen sind im Internet einsehbar: So kostet das Sponsoring eines World Economic Forum Briefings, bei dem ein FT-Journalist mit vom Sponsor genehmigten Gästen diskutiert, laut Preisliste umgerechnet 222'000 Franken. Ein rein digitales Webinar von 50 Minuten ist schon für die Hälfte zu haben. 

Das WEF und die grossen Medien: eine Symbiose

Gibt es hier nicht einen Interessenkonflikt? Und machen FT und Co. dem WEF nicht Konkurrenz? Dazu erklärt eine Sprecherin der «Financial Times», dass die FT-Vertriebsteams seit 15 Jahren solche Veranstaltungen «am Rande des WEF» organisierten. Man habe gute Beziehungen zum WEF selbst und sehe die FT-Veranstaltungen als Ergänzung. 

Und Interessenkonflikte gebe es keine, denn die gesponserten Veranstaltungen würden auf der Website von «FT Live» gesendet, und nicht auf der Hauptseite des lachsfarbenden Wirtschaftsmediums. Bloomberg liess mehrere Anfragen zu diesem Thema ohne Antwort.

Der Siemens-Konzern zählt zu den Kunden der FT-Events und hat im Zuge einer bezahlten Veranstaltung seinen «Infrastructure Transition Monitor» veröffentlicht. «Wir nutzten die Gelegenheit, um gezielte Diskussionen mit Branchen- und Politikexperten zu führen, die beim WEF vor Ort waren, um deren Einschätzungen zu einigen Umfrageergebnissen einzuholen», begründet ein Siemens-Sprecher, warum der Konzern für viel Geld in Davos eine Veranstaltung kauft. 

Überschatten die Side-Events das WEF?

Das WEF selbst hat kein Problem mit der Doppelrolle der grossen Medienhäuser – im Gegenteil: «Das Forum schätzt die Beiträge von Medienorganisationen wie Reuters, Bloomberg und der FT zur Förderung des Dialogs», wie WEF-Sprecher Werthmüller erklärt. Das WEF sieht sein Jahrestreffen durch die Nebenveranstaltungen der grossen angelsächsischen Medienhäuser eher aufgewertet.

Mehrere Unternehmensberater berichten dagegen, dass für viele Firmenkunden die Teilnahme an diesen Side-Events mittlerweile wichtiger geworden sei als das WEF im Kongresszentrum selbst. 

Die Welt verbessern und damit aber auch Geld verdienen – das war schon immer die Zauberformel des WEF am Zauberberg in Davos. 

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