Nein, nein, nein: Die letzten Versuche, AHV und berufliche Vorsorge zu reformieren, fanden vor dem Stimmvolk keine Gnade. Egal, ob die Vorschläge – wie 2004 und 2010 – von bürgerlicher Seite kamen; oder ob die Linke mit eingebunden war wie bei der jüngsten Abstimmung im September 2017.
Dazumal war die Mitte-Partei aus dem bürgerlichen Lager ausgeschert und hatte mit der SP einen Deal geschlossen. Allerdings stiess auch die sogenannte Altersvorsorge 2020 bei den Stimmbürgern auf Ablehnung: Die FDP- und SVP-Wähler lehnten den vorgesehenen Zuschlag von 70 Franken ab. Von ganz links gab es Widerstand gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre.
Nun nehmen die Bürgerlichen einen neuen Anlauf. Denn ohne Gegenmassnahmen macht das Sozialwerk im Jahr 2030 ein Defizit von 3,7 Milliarden Franken; 2031 wären es bereits 5,3 Milliarden.
Im Vergleich zu früher backen SVP, FDP, Mitte und GLP allerdings kleinere Brötchen. Das Ziel, die Zukunft der AHV langfristig zu sichern, steckt man sich gar nicht erst. Stattdessen wagen sich die Parteien nur an eine Minireform: Künftig sollen Frauen und Männer gleichermassen mit 65 Jahren in Pension gehen. Massnahmen, die darüber hinausgehen, will man erst in einem zweiten Schritt anpacken. Die Bürgerlichen wollen alle Frauen mit tiefen Einkommen für das höhere Rentenalter grosszügig entschädigen. Für die Übergangsgeneration hat der Ständerat diese Woche Zuschläge von 240 Franken pro Monat gutgeheissen.
Widerstand von den Gewerkschaften
Die Gewerkschaften haben schon früher das Referendum gegen das Frauenrentenalter 65 angekündigt. Mit der gestrigen Demonstration auf dem Bundesplatz machten sie klar, dass sie erbitterten Widerstand planen.
Dies stösst bei bürgerlichen Politikern auf Unverständnis – insbesondere bei jener Partei, die zuletzt mit der Linken eine Lösung suchte: der Mitte. «Ich habe den Eindruck, es ist egal, wie hoch die Kompensation ausfällt», stellt Ständerat Erich Ettlin (59) frustriert fest, «die Gewerkschaften sind sowieso dagegen.»
Nationalrätin Ruth Humbel (64) weist darauf hin, dass die Gewerkschaften im Rahmen der Altersvorsorge 2020 durchaus bereit waren, das Rentenalter der Frauen an jenes der Männer anzugleichen. Die jetzige Verweigerungshaltung könne sie deshalb nicht nachvollziehen.
«Wir sind bekanntlich daran, das Problem der tieferen Frauenrenten in der zweiten Säule anzugehen», sagt Humbel. Bei der AHV zählten die Frauen hingegen zu den Profiteuren: Sie zahlen weniger Gelder ein, als sie am Ende beziehen. «Darum ist es unehrlich, mit dem Argument der tiefen Frauenrenten die AHV-Reform abzulehnen», findet Humbel.
AHV-Reform auf wackeligen Beinen
Im Zentrum der politischen Debatte steht wie stets die Frage: Ist eine AHV-Reform gegen die Linke im Volk überhaupt mehrheitsfähig?
Mitte-Präsident Gerhard Pfister (58) ist zuversichtlicher als noch vor ein paar Wochen. «Ich glaube, ein Rentenalter 65 für Frauen und Männer ist in der Schweiz mehrheitsfähig, sofern die Vorlage sozial ausgewogen ist und die tieferen Einkommen entschädigt werden.» Das sei bei der Vorlage, die der Rat derzeit behandle, der Fall. Zudem sei die Ausgangslage eine andere als 2017: «Dieses Mal stehen alle bürgerlichen Parteien hinter der Reform.»
Diese ist noch nicht abschliessend beraten. Die Eckwerte aber stehen fest: eine Angleichung des Rentenalters auf 65 Jahre und Zuschläge für die Übergangsgenerationen mit tiefen Einkommen.
Die alles entscheidende Frage – ob die Vorlage auch vor dem Volk eine Mehrheit findet – dürfte sich nächstes Jahr klären. Sicher ist schon jetzt: Der Widerstand der Gewerkschaften wird heftig sein. Das Unverständnis der Bürgerlichen ebenso.