Seit Einführung der Zertifikatspflicht dürfen auch Arbeitgeber von ihren Angestellten ein Zertifikat verlangen. Nun stellt sich die Frage, wie es am Arbeitsplatz bezüglich Impfen und Zertifikaten weitergehen soll. Insbesondere mit dem bevorstehenden Ende kostenloser Tests am 10. Oktober dürfte sich die Lage verschärfen und die Diskussionen hitziger geführt werden.
Erste namhafte Arbeitgeber greifen durch: Flugpersonal der Swiss, das bis Ende Januar 2022 nicht doppelt gegen Corona geimpft ist, fliegt. Und zwar nicht in den Himmel, sondern aus der Firma. Hintergrund ist, dass viele Länder keine Ungeimpften einreisen lassen. Das bringt bei der Swiss die Arbeitspläne durcheinander.
Swiss prescht vor
Bislang war der Fall Swiss in der Schweiz eine Ausnahme, wie Barbara Spalinger, Vizepräsidentin der Schweizerischen Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV), im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP erklärte. «Die Impfpflicht für das Flugpersonal der Swiss ist nur im Zusammenhang mit den besonderen Arbeitsbedingungen in einem Flugzeug zur rechtfertigen», sagt sie.
Zwar gebe es für Personal im öffentlichen Verkehr auch bei anderen Firmen eine Zertifikatspflicht. «Ein Zertifikat kann aber auch mittels Tests und nicht bloss mit der Impfung erworben werden», so die Expertin. Entsprechend sei das Verweigern einer Impfung in den meisten Fällen auch kein Entlassungsgrund. «Erst wenn der Arbeitnehmer ohne Impfung nicht in der Lage ist zu arbeiten oder sich nicht testen lassen will, stellt sich die Frage einer Entlassung.»
Zwei Tage frei oder 200 Franken als Impfanreiz
Auch der Pharmakonzern Novartis und die Versicherer Swiss Re und Zurich haben angekündigt, von ihren Angestellten ein Covid-Zertifikat zu verlangen. Zudem sind einige Mitarbeitende der Schweizerischen Post von der Zertifikatspflicht betroffen, wenn sie Pakete und Briefe in Spitäler zustellen, wo ohne Zertifikat niemand reinkommt. Auch das Verlagshaus Ringier, das den Blick herausgibt, setzt auf die Zertifikatspflicht. Der Zugang zu den Bürogebäuden ist nur noch mit Zertifikat gestattet – für Angestellte wie für Besucher.
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse fordert die Arbeitgeber denn auch dazu auf, die Impffreiheit der Angestellten zu respektieren. Viele grosse Unternehmen versuchen es daher mit Aufklärung und Anreizen statt mit Druck und Zwang. Mehrere Firmen haben in den letzten Monaten ein Impfangebot am Arbeitsplatz organisiert, einige haben sogar Prämien oder zusätzliche freie Tage angeboten.
So haben etwa die Swiss Casinos ihren Mitarbeitenden fürs Impfen 200 Franken angeboten. Oder der Modeverkäufer Tally Weijl versuchte den Angestellten, die Impfung mit zwei freien Tagen schmackhaft zu machen.
Keine Gratistest ab 10. Oktober
Mit dem Ende der kostenlosen Tests dürfte sich die Lage rund ums Thema Impfen und Testen zuspitzen. Ab dem 10. Oktober könnten Gruppentests in Unternehmen zwar noch übernommen werden. Einzeltests, etwa bei Geschäftsreisen, dürften dagegen nicht mehr erstattet werden. «Die meisten Firmen können den ungeimpften Arbeitnehmern aber entgegenkommen und Tests zumindest für eine Übergangszeit finanzieren», meint Basile Dacorogna, Projektleiter beim Verband Economiesuisse.
Die Kosten für Tests könnten aber insbesondere kleine Unternehmen in Bedrängnis bringen. Laut Dacorogna ist es möglich, dass die Arbeitgeber die Tests dann nicht mehr bezahlen wollen. Laut Barbara Spalinger vom SEV ist dies aber gar nicht möglich: Mit dem Ende der kostenlosen Tests sei der Arbeitgeber gezwungen, für diese zu zahlen. Die Meinungen der Experten zum Thema gehen also auseinander. (SDA/knr)