Die Vorfreude war riesig: Für Thomas K.* stand die erste Geschäftsreise seit über zwei Jahren an. Der Angestellte aus dem Dienstleistungssektor wollte von Zürich nach London fliegen und sich dort mit wichtigen Geschäftskunden endlich wieder persönlich treffen. Doch seine Reise wurde bereits am Flughafen zum Ärgernis.
Das Onlinecheck-in erledigt, den Sicherheitscheck überstanden, folgte für K. vor dem Gate eine böse Überraschung. «Eine halbe Stunde vor dem Abflug, habe ich erfahren, dass die Identitätskarte für die Reise nach England nicht ausreicht», sagt er. Er benötigt einen Pass, doch K. hatte nur die ID dabei. «Im Onlinecheck-in bei der Swiss konnte ich ja schliesslich die ID angeben», sagt er. Das habe ihn Glauben lassen, dass die Identitätskarte für den Flug ausreiche.
Familie zahlt 900 Franken für Notfallpässe
Doch seit dem 1. Oktober 2021 wird die Identitätskarte im Vereinigten Königreich nicht mehr akzeptiert. Für die Einreise wird ein Schweizer Pass benötigt, der noch mindestens sechs Monate gültig ist. Eine Folge des Brexits. Grossbritannien ist auch nicht Teil des Schengenraums, der eine Einreise per ID erlauben würde.
30 Minuten vor dem Abflug musste K. zurück zum Büro für Notfallpässe rennen. An der dortigen Schlange erkennt er, dass es vielen anderen wie ihm ergeht. «Der Angestellte meinte, er müsse täglich rund 30 Notfallpässe nach London ausstellen», so K.
Vor ihm habe eine sechsköpfige Familie sechs Notfallpässe gekauft. Kostenpunkt: 900 Franken. Für einen einzelnen Pass bezahlt K. 150 Franken. Weil ihn die Sicherheitsleute beim erneuten Check vorlassen, kriegt er seinen Flug in letzter Sekunde. Sein Ärger bleibt trotzdem gross. «Die Swiss müsste den Passagieren doch beim Check-in einen Warnhinweis geben.»
Swiss hält Warnhinweis für unnötig
Müssten die neuen Einreisebedingungen nach Grossbritannien von den Fluggesellschaften besser kommuniziert werden? «Die Verantwortung in Bezug auf die Einreisebestimmungen liegt bei unseren Gästen. Diese können sich online über die Vorgaben der jeweiligen Länder informieren. Ein Warnhinweis während des Buchungsprozesses ist derzeit nicht vorgesehen», sagt die Swiss auf Anfrage von Blick.
Die Swiss betont zudem, dass man beim Onlinecheck-in bei Flügen nach Grossbritannien nur den Pass auswählen könne. Doch gleich mehrere Fluggäste, die im letzten Augenblick Notfallpässe kaufen mussten, beharren darauf, ihre ID eingetragen zu haben – ohne dass ein Warnhinweis erschienen sei. Möglich scheint dies sehr wohl zu sein: «Wir möchten keine Vermutungen treffen, warum unsere Kunden beim Check-in Prozess nicht die Passdaten erfassen», sagt die Swiss auf Nachhaken von Blick.
Notfallpässe spülen 540'000 Franken in Kasse
Das Notfallpass-Büro am Flughafen wird von der Zürcher Kantonspolizei betrieben. Sie kann auf Anfrage von Blick nicht sagen, für welche Länder die Pässe gelöst werden – das werde nicht erfasst. Die neue Regelung für Grossbritannien macht sich jedoch trotzdem bemerkbar. «Die Zahl der ausgestellten Notpässe ist seit Beginn des Jahrs 2022 gegenüber der Vorjahresperiode angestiegen. Dies dürfte zum einen mit der Corona-Pandemie im Jahr 2021 und den geänderten Einreisebestimmungen in England zusammenhängen», sagt die Kantonspolizei.
Im letzten Jahr wurden rund 3600 Notfallpässe ausgestellt. Das lohnt sich: Die Leute bezahlten dafür zusammengerechnet 540’000 Franken. *Name bekannt