Wie soll die Personalabteilung heissen? «Human Resources» oder «People and Culture» – oder doch einfach Personalabteilung? Die Diskussion rund um die Bezeichnung erzürnt die Gemüter auf Linkedin genauso sehr wie Angestellte, die sich am HR die Zähne ausbeissen.
Dass das HR polarisiert, ist nichts Neues. Dass aber dessen Aufgaben komplex, teilweise gar überfordernd sind und die HR-Leute den Überblick verlieren, das bestätigt nun eine Studie von Boston Consulting Group (BCG) und European Association for People Management (EAPM), bei der auch das HR in der Schweiz schlecht wegkommt. «HR-Abteilungen verzetteln sich manchmal und versuchen, zu viele Themen gleichzeitig zu machen», fasst der Co-Autor und BCG-Partner Philipp Kolo die Ergebnisse zusammen.
Das wichtigste Anliegen des HR
Die Studie befragte fast 7000 Personen in über 100 Ländern, darunter arbeitet der Grossteil in HR–Funktionen. Die wichtigste Erkenntnis: «Über 70 Prozent der Befragten sagen, dass Personalthemen die grösste Herausforderung für den Geschäftserfolg sind», so Kolo. Gleichzeitig aber sei die Fülle an Anforderungen, die erfolgreiches Personalmanagement mit sich bringen, derart gewachsen, dass es immer schwieriger wird, eine klare Strategie zu formulieren.
Gerade vergangene Herausforderungen wie die Pandemie, aber auch akute Schwierigkeiten wie der Fachkräftemangel, zeigen die Wichtigkeit des Personals deutlich auf. «Das künftige Umfeld könnte jedoch noch herausfordernder sein, da wir wahrscheinlich häufigere und schwerwiegendere Störungen, zunehmende Talentlücken, weniger liquide Talentmärkte und einen wachsenden Bedarf an digitaler Transformation und Innovation – insbesondere im Bereich KI – erleben werden», führt Kolo aus.
Entsprechend steigt die Wichtigkeit von Investitionen im digitalen Bereich – gleichzeitig will sich das HR aber nicht mit zu vielen Technologien auseinandersetzen. Nur rund je ein Drittel geben an, digitale Technologien oder Daten und Analysen nutzen zu wollen, um personelle Herausforderungen zu antizipieren.
Die Schweiz ist ein Sonderfall und macht sich das Leben schwer
Die grösste Herausforderung verorten jedoch 72 Prozent nicht im digitalen Bereich, sondern in der personellen Herausforderung und bei Talentlücken. Das sieht vor allem das globale Umfeld so – nicht aber die Schweiz. Philipp Kolo dazu: «Die Studie zeigt: Gerade in der Schweiz sind die Fähigkeiten, eine klare Personalstrategie zu entwickeln, sowie das Setzen der richtigen Prioritäten geringer ausgeprägt als im Rest der Welt. Auch die Förderung der Toptalente oder die Entwicklung alternativer Rekrutierungsformen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sind auf den letzten beiden Plätzen in der Schweiz.»
Das Ergebnis verwundert, beklagen sich doch hierzulande Firmen über fehlende Fachkräfte. Gleichzeitig hat sich aufgrund der komfortablen Situation von Stellensuchenden die Erwartung eingeschlichen, dass sich Firmen bei möglichen Kandidaten und Kandidatinnen bewerben müssen statt umgekehrt. Ein weiterer Aufwand für das HR.
Statt sich aber auf Personal- und HR-Strategien oder das Management des Talentpools zu konzentrieren, befassen sich Personalabteilungen in der Schweiz lieber mit den Themen Nachhaltigkeit und ESG-Standards, IT-Infrastruktur sowie Cloud-Management. Der Zusammenhang mit dem eigentlichen Verständnis einer Personalabteilung rückt in weite Ferne. Und auch in Zukunft wollen Schweizer Recruiter diesen Fokus beibehalten, statt sich um das Talentmanagement oder die Beziehungen zu den Angestellten zu kümmern.
Mögliche Lösungen für das HR
Damit aber das HR nicht in der Bedeutungslosigkeit verkommt und sich gleichzeitig eine Firma in der turbulenten Zukunft auf motivierte und informierte Angestellte verlassen kann, gibt der BCG-Report vier Empfehlungen, die sich Unternehmen zu Herzen nehmen sollten.
In Bezug auf mögliche Talente heisst das, die Akquise zu überarbeiten. Stimmen die Stellenausschreibungen effektiv mit dem überein, was man sich wünscht? Oder ist es eher die Anforderung an eine eierlegende Wollmilchsau, die kaum zu finden ist? Nebst der Akquise gilt es aber auch, das bestehende Personal weiterzubilden und umzuschulen. Gerade bei den Angestellten über fünfzig Jahren ist grosses Potenzial vorhanden, das Firmen bisher noch nicht voll ausschöpfen.