Die Corona-Vorschriften am Arbeitsplatz werden zum grössten Zankapfel des neuen Massnahmenpakets. Der Bundesrat schlägt drei Varianten vor:
- Variante 1: Maskenpflicht am Arbeitsplatz
- Variante 2: Homeoffice-Pflicht für Angestellte ohne Impfung oder Genesung
- Variante 3: Homeoffice für alle; Maskenpflicht und repetitives Testen für all jene, die nicht von zu Hause aus arbeiten können
Klar ist: Variante 2 kommt nirgends gut an. Zu gross die Gefahr der Spaltung, wenn Ungeimpfte geoutet werden, indem sie ins Homeoffice müssen.
Darüber hinaus formieren sich zwei Lager. Büezer gegen Bürogummis.
Auf der einen Seite der mächtige Arbeitgeberverband sowie der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse. Auf der anderen Seite der Kaufmännische Verband (KV) und die Angestellten Schweiz.
«Wenige Ansteckungen am Arbeitsplatz»
Arbeitgeberverband und Travailsuisse stehen für die Büezer: Sie vertreten grosse Teile der Industrie und von Angestellten, die tagtäglich in Restaurants, Einkaufsläden oder Fabriken im Einsatz stehen. Homeoffice kommt für diese Berufsgruppen nicht in Frage. Die beiden Verbände plädieren denn auch für die mildere Variante 1, die lediglich eine Maskenpflicht vorsieht.
Selbst für Büroangestellte wäre eine strikte Homeoffice-Pflicht übertrieben, findet Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (41): «Die Läden bleiben offen, die Fussballstadien sind voll, das kulturelle Leben läuft weiter. Warum sollten wir ausgerechnet am Arbeitsplatz durchgreifen, obwohl es dort nachweislich nur wenige Ansteckungen gibt?»
Fünf Tage die Woche von zu Hause aus zu arbeiten sei für viele Arbeitnehmende eine Belastung, argumentiert Wüthrich. Auch der Arbeitgeberverband bezeichnet eine Homeoffice-Pflicht als «unverhältnismässig» und «wenig wirksam».
«Reine Pflästerlipolitik»
Im anderen Lager stehen der Kaufmännische Verband (KV) und die Angestellten Schweiz – sie vertreten mehrheitlich Büroangestellte. «Variante 1 wäre reine Pflästerlipolitik», kritisiert Hansjörg Schmid, Sprecher von Angestellte Schweiz. «Nur eine Homeoffice-Pflicht kann Angestellte effektiv vor Ansteckungen schützen und die Fallzahlen schnell senken.»
Dass eine Homeoffice-Pflicht unverhältnismässig sei, wie es der Arbeitgeberverband formuliert, sieht Schmid anders: «Wir haben in der Pandemie bereits gute Erfahrungen mit Homeoffice gemacht. Es ist problemlos umsetzbar.» Die Homeoffice-Pflicht müsste allerdings zeitlich begrenzt sein, betont Schmid.
Pendlerströme brechen
Rückendeckung erhält er von Ursula Häfliger (50), Verantwortliche Politik beim Kaufmännischen Verband Schweiz. Eine Maskenpflicht am Arbeitsplatz wäre zwar besser als gar nichts. Aber: «Sie würde die Pendler-Mobilität nicht reduzieren. Es gäbe immer noch Ansteckungen auf dem Arbeitsweg.»
Zwischen strikten Massnahmen am Arbeitsplatz und vollen Fussballstadien sieht Häfliger keinen Widerspruch. Ganz im Gegenteil sogar: «Die Pandemie dauert schon lange, die Leute haben genug. Mir scheint, dass der Bundesrat nun einen Mittelweg sucht. Mit dieser Lösung vereinsamt man nicht, kann im Privaten noch Dinge unternehmen. Aber bei der Arbeit, wo es einfach umzusetzen ist, werden die Massnahmen verschärft.»
Spiel mit dem Feuer
Die mildere Variante 1, wie Arbeitgeberverband und Travailsuisse sie sich wünschen, sei ein Spiel mit dem Feuer, warnt Hansjörg Schmid. «Wenn wir nach Österreich oder Süddeutschland schauen, sehen wir, wie schnell die Spitäler ausgelastet sind. Die Massnahmen kommen jetzt schon im letzten Moment.» Wenn man nun nicht durchgreife, drohe ein Lockdown, so Schmids Schreckensszenario.
Adrian Wüthrich von Travailsuisse widerspricht: «Die Homeoffice-Pflicht kann keinen Lockdown verhindern. Am Arbeitsplatz gibt es keine Massenansteckungen. Die Schutzkonzepte in den Betrieben funktionieren.»
Welchen Weg der Bundesrat einschlägt – den milderen der Variante 1 oder den strengeren der Variante 3 –, entscheidet er am Freitag. Klar ist jetzt schon: Wenn die Homeoffice-Pflicht kommt, dann bitte nur vorübergehend. Darin sind sich Büezer und Bürogummis einig.