Eine Familie mit drei Kindern. Ihr Wunsch: Jedes Kind soll ein eigenes Zimmer haben. Doch die Suche nach einer 5,5-Zimmer-Wohnung in der Stadt Zürich ist der pure Frust. Homegate.ch spuckt Mitte August gerade mal fünf Wohnungen aus: 2940 Franken, 3780 Franken, 4000 Franken, 5310 Franken, 12'200 Franken. Wer soll das bezahlen?
Die Mietpreise haben sich nicht nur in Zürich, sondern im ganzen Land deutlich erhöht. Im Juli kostete die Wohnungsmiete durchschnittlich 11,4 Prozent mehr als vor zwölf Jahren. Das zeigt der offizielle Mietindex des Bundes, der bestehende und neue Mietverhältnisse berücksichtigt.
Viele Vermieter kassieren zu viel
Die Entwicklung gibt zu denken. Denn die Hausbesitzer profitierten in den letzten Jahren von rekordtiefen Hypothekarzinsen. Davon hätten von Gesetzes wegen auch die Mieterinnen und Mieter etwas haben müssen. Denn mit Vermieten darf man nicht einfach so viel verdienen, wie der Markt hergibt. Wenn Vermieter einen «übersetzten Ertrag» erzielen, ist das gemäss Obligationenrecht missbräuchlich. Dann könnten Mieter den Anfangsmietzins anfechten.
Viele Missbräuche. Die maximal zulässige Nettorendite für Immobilienbesitz beträgt aktuell 3,25 Prozent, hat das Bundesgericht vor zwei Jahren entschieden. Doch viele Vermieter kassieren mehr. Wenn alle aktuellen Mieten in der Schweiz überprüft würden, würde wohl «ein rechter Teil» als missbräuchlich gelten. Das sagt nicht irgendwer, sondern Martin Tschirren, Direktor des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO), gegenüber der «Handelszeitung».
Martin Neff, Chefökonom der Raiffeisen-Gruppe, erstaunt Tschirrens Aussage nicht weiter. «Mich überrascht einzig, dass das BWO diesen Missstand nicht schon viel früher herausgestrichen hat.» Dass viele Vermieter ungerechtfertigt hohe Renditen erzielen, sei ja seit Jahren bekannt. «Das beweisen nicht nur die Gewinnmargen der grossen Immobilienkonzerne, sondern auch mehrere Studien», so Neff.
Diese Aussagen sind Wasser auf die Mühlen der Linken. Sie versuchen seit Jahren, den steigenden Mietpreisen und den überhöhten Renditen der Vermieter Einhalt zu gebieten.
Linke Vorstösse scheitern
Allen voran die Zürcher Sozialdemokratin Jacqueline Badran und ihr Parteikollege Carlo Sommaruga, Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz (MV). Sie haben in National- und Ständerat zwei gleich lautende Vorstösse eingereicht, die eine «periodische Revisionspflicht der Rendite auf Mieteinnahmen bei Wohnimmobilien» fordern. So wollen sie sicherstellen, dass die Mieten in Zukunft den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
In der Herbstsession im September kommen die beiden Vorstösse ins Parlament. Die Rechtskommission des Nationalrats hat den Vorstoss Badran Ende Juni zur Ablehnung empfohlen – hauchdünn, mit zwölf zu elf Stimmen.
Bürgerliche beschneiden die Rechte der Mieter
Support für Vermieter. Mehr Erfolg hatte Hans Egloff, Präsident des Hauseigentümerverbands (HEV) und ehemaliger SVP-Nationalrat. Sein Anliegen, die Untermiete für Mieter zu erschweren und bei Verstössen die Kündigung zu erleichtern, erhielt Unterstützung der Rechtskommission. Ebenfalls grünes Licht bekam eine Initiative von FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, die die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf des Vermieters erleichtern will.
In der Wintersession kommen diese Vorlagen in die grosse Kammer. Natalie Imboden, MV-Generalsekretärin, warnt: «Diese Vorlagen würden die Rechte der Mieterinnen und Mieter empfindlich schwächen.» Und das Ganze sei erst der Anfang. «Es sind weitere Vorstösse in der Pipeline, die sogar Mietzinserhöhungen zur Folge hätten, insbesondere bei einem Mieterwechsel.»
Konkret geht es um zwei weitere Initiativen von HEV-Präsident Egloff. Die eine will es Mietern erschweren, den Anfangsmietzins anzufechten. Die andere will es Vermietern leichter machen, die Orts- und Quartierüblichkeit einer Wohnungsmiete zu beweisen und so den verlangten Mietpreis zu legitimieren.
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Gegenseitige Vorwürfe
Egloff sieht die Vermieter in beiden Bereichen ungerecht behandelt: «Die Anfechtung des Anfangsmietzinses stellt einen enormen Eingriff in die Vertragstreue dar.» Ein solcher Eingriff müsse auf absolute Ausnahmefälle beschränkt sein.
Für den Beweis, eine ortsübliche Miete zu verlangen, hätten die Gerichte wiederum «übertriebene, praxisferne» Ansprüche. «Sie stellen derart hohe Anforderungen an die Detaillierung der Vergleichskriterien, dass der Beweis mit vernünftigem Aufwand nicht erbracht werden kann.»
Für Mietervertreterin Imboden steht fest: «Die Immobilienlobby arbeitet an einer schleichenden Liberalisierung des Mietrechts.»
Egloff will von solchen Vorwürfen nichts wissen: «Es ist lächerlich, die genannten Vorstösse als Liberalisierungen zu bezeichnen.» Man rüttle weder am Mieterschutz, noch gehe es um eine Erleichterung von Mietzinserhöhungen. «Das ist reine Propaganda.»
Auch die Entwicklung der Mietpreise beurteilt der oberste Hauseigentümer anders als der Mieterverband. Die Bestandsmieten seien seit Jahren rückläufig, sagt er. Bei Neuvermietungen habe es zwar «je nach Gebiet» eine Preiserhöhung gegeben – zurückzuführen aber «nicht zuletzt auf die erhebliche Zunahme der Wohnfläche und auf die stetig steigenden Baustandards».
Keine Einigung in Sicht
Der Streit eskaliert. Die Lagebeurteilung könnte unterschiedlicher nicht sein. Einen gemeinsamen Nenner für eine fruchtbare Diskussion gibt es derzeit kaum. Zumal im Juli der Streit zusätzlich eskaliert ist. Wirtschaftsminister Guy Parmelin lud den MV in eine Arbeitsgruppe zum Mietrecht ein. Der MV sagte ab: «Das vorgeschlagene Mandat des Bundesamts für Wohnungswesen trägt den realen Sorgen der Mietenden keine Rechnung.» Es würden nur vermieterfreundliche Anliegen aufgenommen – mit dem Ziel, die bereits heute zu hohen Mieten zu legalisieren und das Prinzip der Marktmiete zu stärken.
Der MV fokussiert im Kampf um Mietzinsreduktionen deshalb vermehrt auf Regionalpolitik. Ende 2021 nahm Basel-Stadt eine Wohnschutzinitiative an, die überrissenen Mietzinserhöhungen bei Sanierungen einen Riegel schieben soll. In Genf und in der Waadt gibt es ähnliche Regelungen schon länger. «Wir klären aktuell ab, wo wir vergleichbare Vorlagen durchbringen könnten», sagt MV-Generalsekretärin Imboden. Insbesondere in den grossen Agglomerationen habe man die nötigen Mehrheiten dafür.
Erste Aktivitäten gibt es in den Städten Bern, Luzern und Zürich. Auf nationaler Ebene aber ist der MV derzeit wohl schon froh, wenn der Status quo verteidigt werden kann.
Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel findest du unter www.beobachter.ch
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