Auf einen Blick
Auch das noch: Europas Autoindustrie steckt schon jetzt knietief in der Krise, die Verkäufe im wichtigsten Absatzmarkt China schwächeln, in Europa stehen sich vor allem E-Autos die Reifen platt – und zu allem Überfluss will nun die EU chinesische E-Autos mit neuen Strafzöllen belegen.
Jetzt fürchten die Chefs von VW und Co., dass China zurückschlagen wird: «Dieses Risiko ist auf jeden Fall vorhanden, wenn diese einseitigen Zölle umgesetzt werden sollten», sagte VW-Chef Oliver Blume der «Bild am Sonntag». Die Branche sorgt sich, dass China vor allem leistungsstarke Autos ins Visier nimmt, was vor allem deutsche Premiumhersteller zu treffen droht. Zudem fallen auch Zölle auf Autos deutscher Hersteller an, wenn diese in China hergestellt werden, etwa der BMW iX3, der Volvo EX30 oder der Cupra Tavascan.
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Keine Zölle in der Schweiz
Immerhin: Die Schweiz ist von dem Streit nicht betroffen, schliesslich hat das Land mit China ein Freihandelsabkommen. Zudem spielen chinesische Autos auf dem Schweizer Markt bis dato sowieso keine Rolle.
In der Aufregung um die Zölle rückt ein weiterer wichtiger Punkt fast in den Hintergrund: Mindestens so gravierend wie die geplanten Zölle, die Anfang November erhoben werden sollen, sind die verschärften Klimavorgaben der EU. Diese dürften im kommenden Jahr den europäischen Automarkt arg durcheinanderwirbeln – inklusive der Schweiz.
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Worum geht es? Ab kommendem Jahr gelten verschärfte Grenzwerte, wie viel CO2 die Flotten eines Herstellers im Durchschnitt in die Luft blasen dürfen. Laut den Vorschriften soll der Grenzwert von bisher 115 Gramm pro Kilometer auf rund 94 Gramm CO2 sinken. 2030 werden dann 49,5 Gramm vorgeschrieben. Verstossen Hersteller gegen diese Grenzwerte, drohen Milliardenstrafen. Die Schweiz übernimmt jeweils die EU-Grenzwerte. Hier müssten dann die Importeure bei Verstössen Bussen zahlen.
Die neuen Grenzwerte schafft kein Verbrenner
Die Autolobby hatte vergeblich versucht, einen Aufschub für die Einführung der neuen CO2-Grenzwerte zu erreichen. Denn 95 Gramm pro Kilometer, das schaffen nicht einmal Hybrid-Autos. In einem internen Dokument der europäischen Autohersteller, aus dem Nachrichtenagenturen zitierten, heisst es, ein effizienter Verbrenner liege im Schnitt bei rund 120 Gramm CO2 pro Kilometer. Entsprechend müsste auf vier Verbrenner ein Elektroauto zugelassen werden, um einer Strafe zu entgehen.
Um die Bussen zu verhindern, könnten die Hersteller umgekehrt die Produktion von Verbrennern drosseln – mit entsprechenden Folgen für die Arbeitsplätze. Schon jetzt erwägt Europas Nummer eins, VW, zum ersten Mal in der Firmengeschichte ein Werk in Deutschland zu schliessen, um Kosten zu sparen.
Zwingend höherer Absatz führt zur Preisschlacht
Von den angestrebten E-Absatz-Quoten ist die Branche aber weit entfernt: Der Absatz reiner E-Autos war zuletzt förmlich eingebrochen – auch in der Schweiz.
Damit ist klar: VW, BMW und Co. müssen deutlich mehr E-Autos verkaufen, um den teuren Bussen zu entgehen. Was Autokäufer freuen wird, ist für die Industrie ein Graus: Die Folge dürfte ein Preiskampf bei E-Autos sein: «Wir werden einen unvergleichlichen Preiskampf im Segment der Elektrofahrzeuge erleben, weil natürlich jeder versuchen wird und versuchen muss, die Ziele zu erreichen», sagte zum Beispiel der Skoda-Chef Klaus Zellmer dem «Handelsblatt».
Dieser Preiskampf wird auch die Schweiz erreichen: «Aus dem Kreis unserer Mitglieder hören wir, dass im kommenden Jahr ein Preiskampf bei E-Autos droht, damit die Importeure ihre CO2-Zielwerte erreichen», sagt Klaus Wolnik, stellvertretender Direktor und Mediensprecher der Importeurvereinigung Auto Schweiz.
Marktanteil von E-Autos muss steigen, sonst drohen Bussen
Im Vergleich zum deutschen Markt wirke etwas mässigend, dass chinesische Hersteller noch nicht im grossen Stil im Schweizer Markt präsent seien – sprich, der Wettbewerb ist etwas weniger hart als beim nördlichen Nachbarn.
Ferner ist der Absatz von E-Autos in der Schweiz weniger stark eingebrochen als in Deutschland, was unter anderem daran liegen dürfte, dass die Schweiz den Kauf von reinen E-Autos nicht so stark subventioniert hat wie Deutschland. Als wegen akuten Geldmangels die deutsche Regierung Anfang Jahr die Förderung quasi über Nacht strich, brach auch der Absatz der Stromer ein.
Dennoch ist die Grundproblematik auch in der Schweiz dieselbe: Entweder der E-Auto-Absatz steigt wieder, oder die Importeure müssen Millionenbussen zahlen. Wolnik rechnet vor: «Die Branche bräuchte aber beim Absatz einen E-Anteil von mindestens 25 bis 30 Prozent, um die CO2-Flottenziel-Werte 2025 zu erreichen.» Im September hatten reine E-Autos beim Neuwagenverkauf einen Marktanteil von 18,7 Prozent. In Deutschland sind es nur 16,5 Prozent.
Schon jetzt locken Rabatte
Sprich, der Marktanteil von batteriebetriebenen Fahrzeugen muss um bis zu 11 Prozentpunkte zulegen, sonst wird es teuer. «Rechnet man die aktuellen Marktanteile der Antriebsarten auf das kommende Jahr hoch, so drohen den Importeuren Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe», sagt Wolnik.
Der VW-Importeur Amag bietet bereits jetzt Sonderkonditionen: So wird der Stromer ID.3 Pure ab 33’000 Franken angeboten – abzüglich Sonderrabatten von kumuliert 3000 Franken.
Verschärft sich nun die Rabattschlacht? Darauf antwortet die Amag eher ausweichend: «Wir erwarten in den kommenden Monaten vor allem neue attraktive E-Modelle wie den neuen Skoda Elroq oder den neuen Audi A6 e-tron», schreibt eine Sprecherin. Zudem würden sich die Preise von E-Autos und Verbrennern immer weiter angleichen.
Der Preis ist nur eine Hürde beim Verkauf von E-Autos
So koste derzeit ein Audi Q4 e-tron mit einer Leistung von 210 KW ab 58’600 Franken. Der «leistungsmässig» vergleichbare Q3 als Benziner mit 180 KW Leistung starte bei Preisen ab 57'800 Franken. Allerdings ist der Q3 rund 20 Zentimeter kürzer als ein Q4 und rangiert in der Hackordnung eine Klasse unter dem Q4. Laut Amag hätten neue E-Autos wie der Skoda Elroq gegenüber dem vergleichbaren Skoda Karoq sogar einen preislichen Vorteil.
Doch ist offen, ob allein tiefere Anschaffungspreise ausreichen werden, um Autokäuferinnen und -käufer davon zu überzeugen, ein E-Auto anzuschaffen. Viele Hindernisse liegen ausserhalb des Einflussbereichs der Industrie: So haben Mieterinnen und Mieter keinen Anspruch darauf, in der Tiefgarage eine Lademöglichkeit zu installieren. Und Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer müssen für solch ein Vorhaben die Mehrheit der Eigentümerversammlung auf ihre Seite ziehen.
Daher fordert Auto Schweiz: Das Aufladen eines Fahrzeugs muss einfacher werden als das Tanken.
Gerade die Politik der EU macht derzeit der notleidenden Branche aber eher das Leben schwerer als leichter. Das Gezerre um Zölle ist nur ein Aspekt davon.