Die Kryptowährung Bitcoin erlebte nach dem Rekordjahr 2021 in diesem Jahr einen heftigen Absturz. Der Wertzerfall der Kryptowährung riss nicht nur Kleinanleger, sondern erstmals auch viele Hedgefonds, Vermögensverwalter und vor allem eine grosse Handelsbörse in den Abgrund.
Es sind schwierige Zeiten für Bitcoin-Fans: Das Narrativ vom Bitcoin als Inflationsschutz ist stark angeschlagen. In Anbetracht der weltweit grassierenden Inflation diente der Bitcoin nicht als Schutzsystem vor Geldwertverlust.
Bitcoin im Abwärtsstrudel
Im Gegenteil: Die bekannteste Kryptowährung Bitcoin fiel von ihrem Allzeithoch, das sie im November 2021 bei knapp 70'000 Dollar markierte, bis Ende dieses Jahres auf noch knapp 17'000 Dollar zurück, ein Minus von satten 75 Prozent in gut zwölf Monaten.
«Tatsächlich war der Bitcoin weder Inflationsschutz noch ein sicherer Hafen bei Marktschwankungen», räumt die Analystin Ipek Ozkardeskaya von der kryptowährungsaffinen Online-Bank Swissquote ein. Der Kryptowährungsmarkt hat im zu Ende gehenden Jahr deutlich schlechter abgeschnitten als der Aktienmarkt.
«2022 war ein hartes Jahr für Kryptowährungen», konstatiert auch die Schweizer Kryptobank Seba. Ereignisse wie der Absturz des algorithmischen Stablecoins UST von Terra Luna im Mai, die Implosion des Hedgefonds Three Arrows Capital im Juni und vor allem der Zusammenbruch einer der grössten Kryptobörsen namens FTX im November hätten den Markt hart getroffen.
Unsicherheiten auch im nächsten Jahr
«Diese Zusammenbrüche haben viele Narben hinterlassen und das allgemeine Vertrauen in Blockchains und Kryptowährungen untergraben», schreiben die Seba-Experten. Ähnlich klingt es bei Bitcoin Suisse: Der Kollaps von FTX habe «unzählige» Firmen in den Abgrund gerissen. Und es sei im Kryptomarkt auch im nächsten Jahr mit einer weiterhin hohen Unsicherheit zu rechnen.
Die Schweizer Kryptoinstitute versichern zudem, dass sie nur in geringem Umfang vom FTX-Einsturz rund um das ehemalige «Krypto-Wunderkind» Sam Bankman-Fried (30), meist nur «SBF» genannt, betroffen sind. SBF wurde jüngst auf den Bahamas verhaftet und von der US-Finanzmarktaufsicht SEC angeklagt.
Bei Bitcoin Suisse heisst es etwa, dass man - «was unsere eigenen Gelder betrifft» - frühzeitig das «Exposure gegenüber FTX erheblich reduziert» habe. Rund 90 Prozent der Bestände habe man vor dem Kollaps abziehen können.
Profitieren Schweizer vom FTX-Crash?
Die Schweizer Finanzaufsichtsbehörde Finma gab ausserdem bekannt, dass man in Bezug auf die von der Finma beaufsichtigten Finanzhäuser «bisher keine Hinweise auf gravierende Exposures im Kontext der FTX-Ereignisse» habe.
Und nicht nur das: Schenkt man den Lenkern der Schweizer Kryptobanken Glauben, dann haben sie vom FTX-Debakel sogar profitieren können. So sagte etwa der CEO von Sygnum, Mathias Imbach, unlängst an einer Veranstaltung, dass der Bank seit der Insolvenz von FTX mehrere hundert Millionen Franken an neuen Kundengeldern zugeflossen seien. Der bereits feste Regulierungsrahmen in der Schweiz und die volle Banklizenz von Sygnum schaffe Vertrauen in einem aktuell unsicheren Umfeld, so Imbach.
Dass im Windschatten der vernichteten FTX-Milliarden nun die harte Hand der Regulierungsbehörden folgen könnte, dürfte die hiesigen Kryptobanken also freuen. Es verschafft ihnen einen Vorsprung vor noch unregulierter Konkurrenz.
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Menschliches Fehlverhalten ist schuld
«Zu hoffen ist indes, dass die Regulierung mehr dem Schutz der Anleger dient und nicht Innovationen einschränkt», sagt dazu Marcus Dapp, Chef Analyst bei Bitcoin Suisse. Denn die in der Kryptobranche «hausgemachten» Probleme seien durchaus lösbar, da vor allem menschliches Fehlverhalten zum Vertrauensverlust geführt habe.
Derweil dreht sich das Konkurs-Karussell im Nachgang der FTX-Insolvenz aber munter weiter. Nach weiteren insolventen Branchengrössen wie BlockFi geriet auch der Bitcoin-Trust Grayscale unter Zugzwang. Zudem machten jüngst Spekulationen die Runde, dass auch die grösste, noch weitgehend unregulierte, Kryptobörse Binance unter starken Mittelabflüssen leide.
Regulierung als Heilsbringer
Dieser «Dominoeffekt» zeigt auf, wie das «Financial Engineering» des Krypto-Ökosystems eine ganze Branche vor den Abgrund getrieben habe, heisst es in einem Rückblick zum FTX-Kollaps der Crypto Finance Group aus Zug. Und auch das zur Deutschen Börse gehörende Unternehmen sieht die Regulierung als Heilsbringer: «Um zu verhindern, dass sich solche Ereignisse in Zukunft wiederholen, braucht es die Durchsetzung bestehender regulatorischer Massnahmen und Standards.»
Die Branche zieht sich auch hierzulande derweil auf ein altgedientes Muster zurück. Frei nach dem Motto: «Jede Krise ist eine Chance» beschwören sie den Entwicklergeist. Bei der Bank Seba klingt das etwa wie folgt: «Das Jahr 2023 wird voraussichtlich ein günstiges Umfeld für Entwickler bieten, um verschiedene Ökosysteme aufzubauen und zu erproben.» Die Zuger Kryptobank ist zudem überzeugt, dass sich die Kryptomärkte «in zunehmendem Tempo» weiterentwickeln werden. (SDA/shq)