Auf einen Blick
- Flyer E-Bike-Produktion wird ins Ausland verlegt
- Verfügbarkeit von Ersatzteilen weiterhin gewährleistet
- Längere Wartezeiten bei der Reparatur absehbar
Am Mittwoch kam der grosse Knall in Huttwil BE: Die deutsche Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG) und Eigentümerin der Flyer AG plant, die Produktion des Schweizer E-Bike-Pioniers ins Ausland zu verlegen. 170 Mitarbeitende bangen um ihren Job – die Betroffenheit ist gross.
Schon vor einem Jahr musste die Berner Belegschaft eine Massenentlassung verkraften. Wieso kommt es jetzt zu dieser Hiobsbotschaft? Und was bedeutet das für meinen jährlichen Flyer-Service? Blick hat mit Fachhändlern gesprochen.
Die Lager sind weiterhin voll
Der Tenor ist bei den Händlern eindeutig. Die E-Bike-Branche kämpft immer noch mit Überkapazitäten. Seit dem Ende der Corona-Pandemie gibt es bei den Fachhändlern einen «Überbestand an E-Bikes ohne Ende», so ein Insider gegenüber Blick. Die Lager sind weiterhin voll. Schuld ist vor allem, dass das Geschäft im Frühling und im Sommer aufgrund des Wetters eher schlecht gelaufen ist. Die Bestände konnten somit nicht gross abgebaut werden.
Marc von Felten (45), Geschäftsführer von Piaggiorama in Biel, erklärt die Folgen: «Wir mussten bei Flyer darum nicht wahnsinnig viel bestellen. So geht es allen Händlern. Und dann wird es für einen Produzenten natürlich schwierig.» Im Gegensatz zu Konkurrenten verkauft Flyer seine E-Bikes nur über Fachhändler. Ein weiterer Insider liefert ein Beispiel: «Wenn ich bei Flyer einen Stromer bestelle und dieser zehn Tage später schon bei mir ist, dann ist es offensichtlich, dass der Produzent nicht ausgelastet ist.»
Noch vor wenigen Wochen tönte es ganz anders
Trotzdem ist eine derartige Auslagerung ins Ausland überraschend. Im Gespräch mit Blick Ende September sendete Flyer-CEO Andreas Kessler (59) noch positive Signale zum Berner Produktionswerk. «Am Standort Schweiz wird festgehalten», hiess es da. Es sind Anzeichen, die die Blick-Informationen unterstreichen: Kessler wurde vom Mutterhaus in Deutschland überrascht und vor vollendete Tatsachen gestellt.
Noch vor wenigen Wochen präsentierte Kessler in St. Gallen vor einem Fachpublikum die Flyer-Neuheiten fürs 2025. Auch Philipp Thomet (52), Geschäftsführer von Thomet Radsport in Aarberg BE, war anwesend. Ihn sprach das neue Programm sehr an. «Ich hatte das Gefühl, dass sich Flyer wieder gefangen hat und die Rückendeckung aus Deutschland da ist», erklärt er gegenüber Blick. «Das ist aber offensichtlich nicht der Fall.»
Was heisst das jetzt für Kunden?
Das Flyer-Chaos trifft nicht nur Mitarbeitende und Fachhändler, sondern auch Kunden. Denn wer einen Huttwiler Stromer hat, sollte diesen einmal pro Jahr in den Service bringen. Batterien, Elektronikupdates, Technik – alles wird gecheckt. Müssen sich Kunden Sorgen machen, wenn die Produktion ins Ausland geht?
Grundsätzlich nicht. «Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, welche nicht Flyer-spezifisch sind, wird weiterhin gut sein.», erklärt Fachhändler Thomet. Im Notfall können da auch andere Produzenten aushelfen.
Bei komplexeren Fällen, beispielsweise einem Garantievorfall, sei das anders. «Ich habe es bis jetzt sehr geschätzt, dass wir so nahe einen Ansprechpartner hatten», meint Thomet weiter. Finden solche Abwicklungen neu in Deutschland statt, könnte das für den Kunden längere Wartezeiten auslösen. «Aber wer weiss: Vielleicht gibt es in Huttwil ja eine Servicestelle. Platz wäre genügend vorhanden.»
Klar ist: Die ganze Branche bedauert die Verlagerung ins Ausland. Vor ein paar Jahren war Flyer noch der Name im Schweizer E-Bike-Handel. Diese Strahlkraft ist verloren. Das Made in Switzerland definitiv Geschichte. «Einfach sehr schade, dass die Traditionsmarke den Turnaround nicht geschafft hat», so die Fachhändler.