Der E-Bike-Hersteller Flyer muss eine Vollbremsung hinlegen. Bei der Traditionsfirma mit Sitz in Huttwil BE droht 80 von 300 Angestellten die Kündigung, wie die Firma gegenüber Blick bestätigte. Der E-Bike-Pionier ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen und hat dabei von einem regelrechten E-Velo-Hype profitiert. Gerade während der Corona-Pandemie ging die Nachfrage nach den Elektro-Tretern durch die Decke. Und jetzt geht Flyer der Pfuus aus.
Wie konnte es so weit kommen? Auf die Gründe angesprochen, weicht Flyer auf Allgemeinplätze aus. Spricht von schwieriger Marktsituation weltweit. Keine Antworten auf konkrete Fragen. Dafür packen eine Reihe Händler und Wiederverkäufer von Flyer-Bikes gegenüber Blick aus. Die meisten von ihnen möchten anonym bleiben, denn sie sind auch weiterhin auf Kundenservice und Belieferung durch Flyer angewiesen. Laut diesen ist der abrupte Absturz der Huttwiler zumindest teilweise hausgemacht.
Ausländische Konkurrenz als Grund?
Es ist laut den Insidern nicht etwa so, dass die Flyer-Modelle sich überhaupt nicht mehr verkaufen. «Bei uns gehen nach wie vor viele E-Bikes von Flyer über den Verkaufstresen», sagt etwa Bruno Pfiffner (63), Geschäftsführer von Velo Pfiffner in St. Gallen. Daniel Gfeller (35) von veloGfeller in Köniz bestätigt: «Die Nachfrage nach Flyer-Bikes ist bei unseren Kunden immer noch hoch.»
Die ausländische Konkurrenz und Billig-E-Bikes aus China tragen gemäss Branchenexperten keine Schuld am Einbruch bei Flyer.
Fakt ist: Die Branche hat sich zu sehr von der Euphorie während der Corona-Pandemie anstecken lassen. «Die Händler haben in den letzten Jahren zu viel bestellt. Viele haben angenommen, dass der Boom noch länger anhalten wird, und jetzt ist er halt vorbei», sagt Philipp Thomet (51), Chef von Thomet Radsport in Aarberg BE. Die Verkaufszahlen wären wieder auf dem Vor-Corona-Niveau der Jahre 2015 bis 2019. «Der E-Bike-Markt kämpft momentan mit einem Überangebot», bestätigt auch Frank Aeschbacher (57), CEO beim Schweizer E-Bike-Spezialisten M-way.
Zu viel an Lager und verschenktes Potenzial
Bei Flyer hat man sich verspekuliert. Die Verantwortlichen gingen davon aus, dass die Nachfrage im gleichen Tempo weiterwächst. Doch während die Firma die Produktion hochfuhr, sanken die Umsätze und Bestellungen innert zwei Jahre um die Hälfte. Das Ergebnis sind übervolle Lager. Flyer soll auf weit über 10'000 E-Bikes sitzen.
Kritik erntet auch die Kommunikation des Unternehmens. So wussten die Angestellten lange nichts von den Schwierigkeiten und wurden im Sommer vom Abbau des Vermietungsgeschäfts für Gruppenausflüge überrascht. Flyer schloss den zu wenig rentablen Geschäftsbereich und baute erste Stellen ab.
Auch gegenüber den Händlern war die Kommunikation bisweilen mangelhaft. Die Branche kämpfte während der Pandemie mit Lieferschwierigkeiten. Das traf auf Flyer ebenso zu. «Wir wussten aber oft nicht, welche Modelle bei Flyer überhaupt verfügbar waren. Wir hätten in den letzten drei Jahren sicher mehr Flyer-Bikes verkauft, wenn die Kommunikation klarer gewesen wäre», sagt Händler Philipp Thomet.
Deutsche Eigentümer setzen Rotstift an
2017 kaufte die deutsche Zweirad-Einkaufsgenossenschaft (ZEG) die Schweizer Firma auf. Unter dem Dach der ZEG konnte der Absatz im Ausland deutlich angekurbelt werden. Nun aber setzt die deutsche Eigentümerin in Huttwil den Rotstift an. Dabei ist sie offenbar wenig zimperlich. Dennoch erwarten Brancheninsider, dass es nach dem harten Schnitt bei Flyer künftig wieder aufwärts geht.