In der Deutschschweiz ist Firmenich kaum jemandem ein Begriff. Dabei ist das Genfer Familienunternehmen gerade im Begriff, der weltgrösste Duftstoff- und Aromenhersteller zu werden. Schon heute gehört der Konzern in der Parfümindustrie zu den Schwergewichten. Firmenich blickt auf eine mehr als 100-jährige Unternehmensgeschichte zurück, hat 1939 für seine Arbeit an künstlichem Moschus gar den Chemie-Nobelpreis gewonnen.
Bald erfolgt nun eine Fusion mit der niederländischen DSM, dem Weltmarktführer von Nahrungsmittelzusätzen. Die Anzahl Mitarbeiter wächst von 11'000 auf 28'000 an. Mit dem Zusammenschluss dürfte Firmenich endlich auch mehr Deutschschweizern ein Begriff werden. Nicht allein wegen der schieren Grösse – sondern auch, weil der Hauptsitz vom Genfersee nach Kaiseraugst AG wandert.
Verliererin ist die Region Genf, so die Befürchtung. Das Unternehmen versucht, diese Sorgen zu zerstreuen. Etwa durch einen 200 Millionen Franken teuren Campus, der am Dienstag im Genfer Vorort Satigny eröffnet wurde, wo künftig in drei Produktionsstätten mit angrenzenden Labors an neuen Düften und Aromen getüftelt wird. Anlässlich der Eröffnung des Campus hat Blick Gilbert Ghostine (62), den CEO von Firmenich, zum Interview getroffen.
Blick: Um in Ihr Büro zu gelangen, mussten wir einen Sicherheitscheck durchlaufen. Welche Geheimnisse schützen Sie?
Gilbert Ghostine: Wir sind eine wissenschaftsbasierte Industrie, die jedes Jahr über 400 Millionen Franken in Forschung und Entwicklung investiert. Die meisten Technologien, die sich in diesen Mauern befinden, sind noch nicht patentiert. Wir wollen nicht, dass unsere Konkurrenten Zugang zu den Früchten unserer Arbeit haben, bevor sie geschützt sind.
Sie versichern, DSM-Firmenich sei auch nach der Fusion schweizerisch, die Arbeitsplätze würden erhalten bleiben. Das klingt doch nach Schönfärberei!
Wir sprechen miteinander, weil wir unseren brandneuen Campus für die Kreation von Düften, Aromen und Inhaltsstoffen einweihen. Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, haben wir hier in Genf 200 Millionen Franken in hochmoderne Labors für Digitalisierung und künstliche Intelligenz investiert, die den strengsten Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Klingt das wirklich nach Schönfärberei?
Gilbert Ghostine (62) ist viel herumgekommen. Der Libanese hat oft den Wohnort gewechselt und mit seiner Frau schon auf vier Kontinenten gelebt. Seit acht Jahren leitet der weltgewandte Manager die Geschicke des Schweizer Familienunternehmens Firmenich in Genf. Wenn die Fusion mit DSM vollzogen ist, wird er die Firma verlassen. Ghostine sitzt neu im Verwaltungsrat von Danone und der Hotelkette Four Seasons.
Gilbert Ghostine (62) ist viel herumgekommen. Der Libanese hat oft den Wohnort gewechselt und mit seiner Frau schon auf vier Kontinenten gelebt. Seit acht Jahren leitet der weltgewandte Manager die Geschicke des Schweizer Familienunternehmens Firmenich in Genf. Wenn die Fusion mit DSM vollzogen ist, wird er die Firma verlassen. Ghostine sitzt neu im Verwaltungsrat von Danone und der Hotelkette Four Seasons.
Ende Juni 2023 wird die neue Einheit an der Amsterdamer Börse notiert sein, mit Investoren, die Rendite wollen. Wie können Sie da so sicher sein, dass keine Arbeitsplätze abwandern?
Ich kann es sein, weil die Familie Firmenich 34,5 Prozent der Anteile an dem neuen Unternehmen besitzen wird und langfristig in diese Partnerschaft eingebunden ist. Die Leitung unseres Parfümerie- und Schönheitsgeschäfts sowie der weltweiten Forschung in den Bereichen Parfümerie, Ingredienzien und Lebensmittel wird von Genf aus erfolgen, und die drei Fabriken werden hierbleiben. Nur einige Positionen im Management sind betroffen, da der Hauptsitz des neuen Unternehmens in Kaiseraugst im Kanton Aargau liegt.
Aber auch Sie sind in Sorge um die Standortattraktivität der Schweiz. Was machen andere Länder besser?
Seit fünf Jahren betreibt der französische Präsident Emmanuel Macron im Rahmen des Projekts «Choose France» im Schloss von Versailles aktive Wirtschaftsförderung für sein Land. Diesen Sommer lud er 180 ausländische Firmenchefs und 70 Chefs französischer Grossunternehmen und Einhörner (Start-ups mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde, Anm. der Red.) ein. Singapur tut dies dreimal im Jahr. Wir müssen also unsere Rahmenbedingungen pflegen, aber auch aktiver für unsere Stärken werben. Wir leben in einer extrem wettbewerbsorientierten Welt.
Seit zwölf Jahren stuft die UN-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) unser Land als das innovativste der Welt ein, noch vor den USA. Wie kommt es zu diesem kleinen Wunder?
Die Schweiz hat das Glück, ein kleines Land zu sein. Wenn Firmenich neben Giganten wie Google als eines der 100 innovativsten Unternehmen der Welt eingestuft wird, liegt das daran, dass wir alle Ressourcen in der Nähe haben und eng mit unseren Partnern zusammenarbeiten. Wir arbeiten mit der Universität Genf und der ETH Lausanne zusammen, wodurch wir ein starkes Ökosystem schaffen können. Das ist übrigens auch der Grund, warum Genf zum Silicon Valley der Parfümerie geworden ist.
Was kann der Schweiz mit diesen Stärken schon passieren?
In einer Welt, die sich so schnell verändert, darf man sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Man kann nicht einfach nur gut sein, sondern muss aussergewöhnlich sein. Wir sind führend bei Innovationen und müssen es auch bei der Digitalisierung sein. Das ist eine Verantwortung, die politische Führer und Wirtschaftsbosse gemeinsam haben. Wir müssen die Besten sein, um die besten Talente anzuziehen. Das ist es, was den Wohlstand unseres Landes sichern wird.
Welche Länder sind die Vorbilder, denen wir folgen sollten?
Ich hatte das Glück, sechs Jahre in Singapur zu leben, und war von der Dynamik dieses kleinen Landes beeindruckt. Auch was Israel in Bezug auf Innovation, Wissenschaft und Digitalisierung tut, ist beeindruckend.