Gopfried Stutz
Wer stillhält, bekommt Geld

Visana bietet mitunter Vergleiche an, wenn Unfallopfer auf die Einsprache verzichten.
Publiziert: 13.05.2023 um 17:11 Uhr
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Wenn die Unfallversicherung nicht zahlt, weil sie auf Krankheit plädiert, ...
Foto: Ulrich Zillmann
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Gehören Sie auch zu jenen Unfallopfern, bei denen der operierende Arzt die gerissene Sehne auf den Unfall zurückführt, aber die Unfallversicherung behauptet, es sei kein Unfall gewesen, sondern eine Krankheit?

Wenn die Unfallversicherung nicht zahlt, werden die Unfallkosten wenigstens durch die Krankenkasse bezahlt. Dumm nur, wenn man eine hohe Franchise hat und dadurch einen grossen Teil der Kosten selber tragen muss.

Was tun? Sagen Sie dem Versicherer, er solle Ihre Franchise übernehmen. Sie würden dann auf die Einsprache verzichten. Einen Vergleich nennt man das. Sollten Sie über Ihren Arbeitgeber bei der Visana unfallversichert sind, scheinen die Chancen nicht schlecht, dass sie einwilligt.

Eine Win-win-Situation, könnte man meinen. Denn Einsprachen sind für Unfallversicherer mit hohen Kosten verbunden. Sie müssen von einem sogenannt unabhängigen Vertrauensarzt ein Gutachten erstellen lassen. Da kommt es dem Versicherer günstiger, dem Kunden einen Vergleich anzubieten. So etwa in dem Stil: Ich zahle dir die Franchise; und du verzichtest auf die Einsprache.

Der Gopfried Stutz weiss von fünf Fällen, bei denen der Unfallversicherer einen solchen Vergleich angeboten hat – und immer war es die Visana.

Ist das überhaupt legal? Visana verweist auf den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts. Dort steht: «Streitigkeiten über sozialversicherungsrechtliche Leistungen können durch Vergleich erledigt werden.»

Und doch wollen andere Unfallversicherer von Vergleichen nichts wissen, wie eine Umfrage des Branchenportals Medinside ergeben hat.

«Wir pflegen keine solche Praxis», lässt sich Helsana zitieren. Sympany sagt: «Es werden keine Deals auf dem Buckel von Krankenversicherungen ausgehandelt.» Und bei Swica heisst es: «Wir vertreten die Auffassung, dass wir das entscheiden, was nach sorgfältiger Abklärung als richtig beurteilt wird. Somit benötigt es auch keinen Vergleich.»

Die Suva schliesslich macht darauf aufmerksam, dass eine Kostenoptimierung aus Sicht der Patienten nicht das Ziel sein sollte. Häufig bleibe es nicht bei den Heil- und Operationskosten. Zu denken sei an Taggeldkosten bei Arbeitsunfähigkeit. Auch das Risiko von Spätfolgen und Rückfällen sollte man nicht ausser Acht lassen. Mit einem Vergleich verzichte man auf spätere mögliche Ansprüche.

Auch unabhängige Sozialversicherungsexperten äussern sich skeptisch. Laut Ueli Kieser, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität St. Gallen, müsste auch die Krankenkasse dem Vergleich einwilligen, da sie die Arztkosten bezahlen müsse. Und gemäss Martin Lorenzon, Ombudsman für Privatversicherungen und die Suva, sind Vergleiche im Sozialversicherungsrecht nur erlaubt, wenn es unklar ist, ob der Tatbestand eines Unfalls gegeben ist. Jedenfalls zeigte er sich erstaunt über die Praxis von Visana. Das habe er in seinen 13 Jahren als Ombudsmann noch nie gehört.

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