Herr Lorenzon, in einem konkreten Fall lehnt ein Unfallversicherer die Leistungspflicht ab mit dem Hinweis, die Sehnen seien schon vorher lädiert gewesen. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Martin Lorenzon: 2019 hatten wir 704 Anfragen, die die obligatorische Unfallversicherung betreffen. Und etwa bei einem Drittel der uns unterbreiteten Fälle verweigert der Unfallversicherer die Leistungen; weil die Unfallkausalität nicht gegeben sei – also weil der gesundheitliche Schaden schon vorher bestanden habe oder in der Zwischenzeit aufgrund einer Vorerkrankung auch ohne den Unfall eingetreten wäre.
Zu Recht oder zu Unrecht?
Wir intervenieren nur in jenen Fällen, in denen wir der Meinung sind, dass der Unfallversicherer die Leistungen zu Unrecht verweigert oder dass er vor dem Leistungsentscheid noch weitere Abklärungen hätte machen müssen. Im letzten Jahr haben wir in 98 Fällen interveniert und in etwa der Hälfte der Fälle recht bekommen.
50 Prozent? Das ist eine gute Quote.
Das ist tiefer als die gesamte Erfolgsquote der Ombudsstelle. Das hängt damit zusammen, dass auch Fachmeinungen von Ärzten sehr unterschiedlich sein können. Ich muss aber vorausschicken, dass wir nur dann intervenieren, wenn noch keine juristischen Schritte eingeleitet wurden. Sobald der Versicherer eine Verfügung erlassen hat, können wir uns nicht mehr einmischen.
Wie gehen Sie vor?
Der Beschwerdeführer muss uns die vollständigen Akten zukommen lassen, besonders auch die medizinischen. Dann prüfen wir, ob ein Bericht eines spezialisierten Facharztes dabei ist. Falls nicht, empfehlen wir dem Versicherten, sich einen zu beschaffen. Es geht ja auch darum, möglichst gute Grundlagen für eine allfällige Intervention zu beschaffen. Dann überprüfen wir, ob der Bericht des Vertrauensarztes der Versicherung infrage gestellt werden muss.
Bei einem komplizierten Sehnenriss an der Schulter stützte sich das Gericht auf den Bericht des Vertrauensarztes, einem Facharzt für Innere Medizin.
Zu Gerichtsentscheiden kann ich mich nicht äussern. Ich kann nur sagen, dass wir immer sehr genau hinschauen, ob der Vertrauensarzt der Versicherungsgesellschaft über die nötige Qualifikation verfügt. Also wenn es um einen Eingriff an der Schulter geht, so braucht es dazu die Einschätzung eines auf Schultern spezialisierten Orthopäden.
Häufig zahlen Unfallversicherer die ersten Behandlungen. Sobald sich eine Operation abzeichnet, stoppen sie weitere Zahlungen. Kanns das sein?
In der Schweiz gibt es mehrere 100'000 Fälle im UVG-Bereich. Wenn die Schilderung eines Ereignisses plausibel erscheint, so übernimmt der Unfallversicherer die Kosten. Wenn dann operiert werden muss und die Behandlungskosten teurer werden, schaut man genauer hin. In solchen Fällen steht der Versicherer in der Beweispflicht. Er muss beweisen können, dass der gesundheitliche Schaden, der eine Operation erfordert, nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen ist.
Für Unstimmigkeiten zwischen Versicherer und Versicherten kann es vielerlei Gründe geben: unterschiedliche Einschätzungen in Bezug auf den Inhalt der Police, der Deckungsumfang, die Schadenhöhe oder etwa die Frage des Verschuldens. Kommt es zu Konflikten, können sich Versicherte an die Ombudsstelle wenden. Martin Lorenzon, Ombudsmann der Privatversicherung und der Suva, hilft ihnen bei versicherungsrechtlichen Fragen oder Problemen und vermittelt lösungsorientiert und neutral.
Für Unstimmigkeiten zwischen Versicherer und Versicherten kann es vielerlei Gründe geben: unterschiedliche Einschätzungen in Bezug auf den Inhalt der Police, der Deckungsumfang, die Schadenhöhe oder etwa die Frage des Verschuldens. Kommt es zu Konflikten, können sich Versicherte an die Ombudsstelle wenden. Martin Lorenzon, Ombudsmann der Privatversicherung und der Suva, hilft ihnen bei versicherungsrechtlichen Fragen oder Problemen und vermittelt lösungsorientiert und neutral.