Gopfried Stutz
Warum Versicherer lieber keinen Mindestzins hätten

Der vom Bundesrat verordnete Mindestzins von 1 Prozent gilt nicht fürs ganze Guthaben.
Publiziert: 07.11.2021 um 12:04 Uhr
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Die Pensionskasse wird mit 1 Prozent verzinst – der obligatorische Teil zumindest.
Foto: imago images
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Wenig überraschend hat der Bundesrat diese Woche beschlossen, den Mindestzinssatz in der beruflichen Vorsorge auch fürs kommende Jahr bei 1 Prozent zu belassen. Ebenso wenig überraschend ist die Reaktion des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV), der sein Bedauern ausdrückt, dass der BVG-Mindestzinssatz nicht noch tiefer angesetzt wird.

Die Präzisierung BVG ist hier entscheidend. Das Kürzel steht für Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Und wenn vom BVG-Umwandlungssatz oder eben BVG-Mindestzinssatz die Rede ist, so ist nur das gemeint, was in diesem Gesetz vorgeschrieben wird.

Das mag banal tönen. Aber ich stelle wiederholt fest, dass Versicherte zwischen obligatorischem und überobligatorischem Teil ihrer Pensionskasse nicht immer unterscheiden können. Und so betrifft der BVG-Mindestzinssatz eben nur den obligatorischen Teil des Guthabens, nicht aber den überobligatorischen. Vorsorgeeinrichtungen können selber entscheiden, zu welchem Satz der überobligatorische Teil zu verzinsen ist.

Diese Unterscheidung ist auch deshalb wichtig, weil vom gesamten Vermögen all unserer Pensionskassen von über einer Billion Franken rund 60 Prozent auf überobligatorische und nur 40 Prozent auf obligatorische Guthaben fallen. Überobligatorische Guthaben entstehen, wenn mehr angespart wird, als im BVG vorgeschrieben ist– zum Beispiel, indem höhere Lohnabzüge vorgenommen werden. Auch wenn der obligatorische Teil zu einem Satz verzinst wird, der über dem oben genannten BVG-Mindestzins liegt, entstehen dadurch überobligatorische Guthaben.

Wobei dieses letzte Beispiel eher selten eintreffen dürfte. Falls eine Kasse gut wirtschaftet, wird sie eher den überobligatorischen Teil zu einem höheren Satz verzinsen, der zu einem tieferen Umwandlungssatz in eine Rente umgewandelt wird.

Die Versicherungswirtschaft hätte gerne einen noch tieferen oder überhaupt keinen vorgegebenen Mindestzins. Denn im Vollversicherungsmodell, bei dem es keine Unterdeckung geben darf, müssen Versicherer strengere Anlagevorschriften befolgen als betriebseigene Pensionskassen. Sie haben einen kleineren Aktienanteil, weil Aktien grösseren Schwankungen unterliegen als Obligationen. Das macht es schwieriger, positive Renditen zu erzielen.

Hinzu kommt, dass die Versicherungen oft Vorsorgepläne mit nur wenig oder überhaupt keinem überobligatorischen Teil anbieten, sogenannte BVG-Minimumpläne. Groben Schätzungen zufolge sind etwa 20 Prozent aller Versicherten nur gemäss dem obligatorischen Minimum laut BVG versichert.

Gewiss, für Personen, die mit der 2. Säule wenig vertraut sind, ist das hier Gesagte harte Kost. Doch wie die AHV befindet sich auch das BVG in Revision. In absehbarer Zeit dürfen wir an der Urne darüber abstimmen. Da ist es kein Nachteil, wenn man die wichtigsten Mechanismen dieses komplexen Sozialwerks verstanden hat.


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