Obligationen waren in den vergangenen Jahren zumindest für Privatinvestorinnen und Kleinanleger nicht interessant. Beim tiefen oder gar negativen Zinsniveau warfen sie kaum Erträge ab. Mit steigenden Zinsen werde sie jetzt wieder Thema, und wir erinnern uns an André Kostolany, der einmal gesagt haben soll: «Mit Obligationen gut schlafen, mit Aktien gut essen.» Ist diese Börsenweisheit wirklich weise oder nur originell?
Eine Obligation, auch Anleihe genannt, ist nichts anderes als ein Kredit, den man einem Unternehmen gewährt – nur dass er öffentlich vergeben und an der Börse gehandelt wird. Indem man Obligationen kauft, gibt man dem Unternehmen Geld; es zahlt dafür einen festen Zins.
Für ein Unternehmen sind Aktien Eigenkapital und Obligationen Fremdkapital. Das heisst, dass die Aktionäre bei einem Konkurs leer ausgehen, während Obligationäre zumindest auf die Rückzahlung eines Teils ihres Kredits hoffen können. Deshalb gelten Obligationen als sicherer als Aktien. (Es sei denn, der Schuldner heisst Credit Suisse. Aber das ist eine andere Geschichte.)
Als der 1906 geborene und 1999 verstorbene Kostolany seine Sprüche kreierte, gab es kaum Anlagefonds für die grosse Masse. Sein Spruch ist deshalb veraltet. So können wir heute getrost konstatieren: Mit Aktienfonds gut schlafen, mit Aktien gut essen.
Aktien, das wissen wir, können brutal abstürzen. Doch mit dem Kauf von Anteilen eines Aktienfonds kauft man zig verschiedene Dividendenpapiere. Stürzt der Kurs der einen Aktie in den Keller, so halten sich die Wertverluste eines Anlagefonds in Grenzen. Häufig ist er gar nicht spürbar. Oder sind etwa die Kurse der auf Schweizer Aktien lautenden Fonds wegen des CS-Debakels in die Tiefe gesackt? Das wäre mir entgangen.
Mit Obligationenfonds verhält es sich gleich: Bei einer Vielzahl von Schuldnern merken Inhaber von Fondsanteilen kaum etwas, wenn der eine Schuldner zahlungsunfähig wird. Aber ist es wirklich sinnvoll, sichere Obligationen mit bester Bonität in einen Anlagefonds zu verpacken, wenn man doch weiss, dass Aktien in der langfristigen Betrachtung noch immer besser abgeschnitten haben als Obligationen?
Wozu sollen Obligationenfonds also gut sein? Zugegeben: Sie sind weniger schwankungsanfällig als Aktienfonds. Dies ist aber nur bei der kurzfristigen Betrachtung relevant. Wer in wenigen Jahren auf Geld angewiesen ist, sollte es auf dem Konto belassen.
So gesehen ist der Nutzen von Obligationenfonds zumindest für Privatinvestorinnen und Kleinanleger zweifelhaft. Mit einem Cash-Polster für kurzfristige Begehrlichkeiten und einem breit gestreuten Aktienfonds für die Zukunft lässt sich herrlich schlafen – und unter Umständen auch köstlich essen.