Markus Moser, Jahrgang 1946, leitete von 1987 bis 1997 die Hauptabteilung Kranken- und Unfallversicherung im Bundesamt für Sozialversicherungen. Er ist deshalb so etwas wie der Vater des Krankenversicherungsgesetzes (KVG), das 1996 in Kraft getreten war.
2009, vor nunmehr 14 Jahren, fragte ich ihn in einem Interview, was er anders machen würde, könnte er das Rad zurückdrehen. Er sagte mir, dass sie damals die Governance von Krankenkassen völlig unterschätzt hätten.
Was sind Krankenkassen eigentlich? Wem gehören sie? Historisch sind sie als Selbsthilfeorganisationen entstanden und hatten in der gesellschaftlichen und politischen Landschaft eine sehr starke Stellung. «Sie müssten eigentlich den Versicherten gehören», sagte Moser damals. Doch heute hätten die Manager das Sagen, nicht die Versicherten. «In diesem Bereich hätten wir klare Leitplanken setzen müssen.»
Heute sieht man mehr denn je, wie recht Moser mit dieser Reflexion hatte. Würden Krankenkassen im Interesse der Versicherten agieren, bräuchte es keine Patientenorganisationen. Doch die Krankenkassenverbände haben allein die Kosten im Visier. Doch wir haben kein Kostenproblem. Wir haben ein Versorgungsproblem. Das sagte jüngst auch Fridolin Marty dem Branchenportal Medinside. Er ist Leiter Gesundheitspolitik bei Economiesuisse.
Fachkräftemangel, überlastete Notfallstationen, aufgeschobene Operationen: Das ist die Folge dieser verfehlten Gesundheitspolitik, eine Folge des Kostenröhrenblicks. Wobei die Kassen nicht die Alleinschuldigen sind. Den gleichen Vorwurf müssen sich die politischen Parteien, die Kantone und der Bundesrat – und hier insbesondere Gesundheitsminister Alain Berset – gefallen lassen.
Typischerweise werden derzeit zwei Volksinitiativen im Parlament behandelt, die Kosten- und Prämiensenkungen zum Ziel haben.
Nochmals: Wir haben ein Versorgungsproblem, kein Kostenproblem. Eine andere Initiative, die eben das Versorgungsproblem zum Inhalt hatte, wurde im zurückliegenden Jahr an der Urne gutgeheissen: die Pflege-Initiative. Lanciert wurde sie vom Berufsverband, nicht von einer politischen Partei. Auch das ist typisch.
Weil eben nichts anderes zählt als die Kosten, sind die Spitalleistungen unterfinanziert. Gemäss dem Spitalverband Hplus liegt die Unterfinanzierung im ambulanten Bereich bei 30, im stationären Bereich bei 10 Prozent. Ob diese Zahlen auch zutreffen, ist freilich umstritten.
Unbestritten ist aber, dass die fehlende Indexierung der Tarife den finanziellen Spielraum der Spitäler einschränkt und es praktisch unmöglich macht, die Teuerung für das Personal auszugleichen. Auch die höheren Energiepreise können nicht aufgefangen werden.
Spitäler sind Dienstleistungsbetriebe; 70 Prozent sind Personalkosten. Und wenn der Pflegeberuf attraktiver gemacht werden soll, muss Geld in die Hand genommen werden. Anders geht es nicht. Der schon fast krankhafte Kostenröhrenblick verbietet leider diese Einsicht.