Privatversicherte haben zwar ein Recht auf ein Einzelzimmer. Doch gemäss einer Analyse des BAG werden sie tendenziell auch öfter operiert. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/ENNIO LEANZA

Gopfried Stutz
Brauche ich eine Spitalversicherung?

Obschon Spitalversicherungen immer weniger Mehrwert bieten, halten Spitäler an ihren überhöhten Tarifen fest.
Publiziert: 02.01.2021 um 15:07 Uhr
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Aktualisiert: 19.06.2021 um 14:51 Uhr
Claude Chatelain, Publizist und Wirtschaftsjournalist.
Foto: Paul Seewer
Claude Chatelain

Eine der häufigsten Fragen, die mir wiederholt gestellt wird und offensichtlich viele Leute umtreibt: Brauche ich eine Spitalzusatzversicherung? Soll ich sie kündigen?

Angenommen, ich sage, was ich persönlich denke – nämlich, dass diese Versicherungen den Preis nicht wert sind –, dann kündigt die Person die Versicherung und muss unverhofft unters Messer. Die Person würde sich sagen: Hätte ich nur nicht gekündigt. Ich wäre dann der Sündenbock. Mit Bundesrat Ueli Maurer kann ich dazu nur sagen: «Kä Luscht.»

Grosse Lust habe ich aber, einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Da läuft allerhand. Ich spreche hier ausschliesslich über die Spitaltarife der Spitalzusatzversicherungen halbprivat und privat.

Das geht so: Lässt sich eine Person einer Operation unterziehen, so zahlt die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) eine Fallkostenpauschale. Ist die Person halbprivat oder privat versichert, so erhalten Spital und beteiligte Ärzte von der Zusatzversicherung zusätzlich Geld. Nur von diesem zusätzlichen Geld rede ich hier.

Wenn man zusätzliches Geld will, muss man auch zusätzliche Leistungen erbringen. Im Fall der Spitalzusatzversicherung halbprivat wären das Zweitbettzimmer und freie Spital- und Arztwahl. Ich sage «wäre», weil das besser tönt, als es ist. Immer mehr Spitäler haben nur noch Zweibettzimmer, womit dieser Vorteil wegfällt. Zudem werden operative Eingriffe zunehmend ambulant durchgeführt, was Spitalversicherungen mehr und mehr obsolet macht.

Obschon also der Mehrwert einer Spitalversicherung im Abnehmen begriffen ist, halten Spitäler an ihren überhöhten Tarifen fest. Wer will schon ohne Not auf seine Pfründe verzichten, schliesslich haben Spitäler und Ärzte mit Privatpatienten jahrzehntelang gutes Geld verdient.

Die Krankenversicherer können das nicht auf sich sitzenlassen. Einige führen daher spezielle Listen mit Spitälern, mit denen sie keinen Vertrag haben. Damit schränken sie aber die freie Spitalwahl ein, mit der sie vollmundig werben. Deshalb ist das mit diesen Listen nicht so einfach. Die Spitäler wissen das.

Der Preisüberwacher nennt dies einen faktischen Kontrahierungszwang. Er will nun eingreifen und die missbräuchlichen Tarife senken lassen. In einem konkreten Fall, bei der regionalen Spitalgruppe STS in Thun, ist ihm dies gelungen. Aber auch der Finanzmarktaufsicht Finma ist das Unwesen aufgefallen. Sie handelt im Interesse der Versicherten und verlangt von den Krankenversicherern, dass sie mit Spitälern transparente Verträge aushandeln, bei welchen klar ersichtlich ist, wie sich die Mehrleistungen beziffern und rechtfertigen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn es diese Mehrleistungen kaum mehr gibt.

Fazit: Die Spitalzusatzversicherungen sind viel zu teuer. Soll man sie kündigen?

Habs doch gesagt: «Kä Luscht», die Verantwortung zu tragen.

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