Gopfried Stutz
Höhere Franchise – gut für Ärzte und Spitäler

«Es droht eine Zweiklassenmedizin», warnt die SP. Was heisst da «droht»?
Publiziert: 08.03.2019 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 02.01.2021 um 14:13 Uhr
Claude Chatelain, Kolumnist bei SonntagsBlick und Publizist.
Foto: Paul Seewer
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Vielleicht haben Sie es auch mitbekommen: Die Mindestfranchise für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) soll von heute 300 auf 350 Franken erhöht werden. Nach dem Nationalrat beschloss dies nun auch der Ständerat. Und wenn die SP nicht zu viel versprochen hat, können wir dereinst an der Urne sagen, ob wir das gut finden.

Die Franchise ist der Betrag, den man jährlich aus dem eigenen Sack bezahlen muss, ehe die Krankenkasse für 90 Prozent der Kosten aufkommt. Die restlichen zehn Prozent zahlen wir als Selbstbehalt, der allerdings auf 700 Franken pro Jahr beschränkt ist. 300 Franken Franchise plus 700 Franken Selbstbehalt gibt 1000 Franken. Das ist der Betrag, den wir im Maximum selber bezahlen müssen, zusätzlich zu der nicht gerade günstigen Krankenkassenprämie. Die Kosten, die von der OKP nicht versichert sind, etwa nicht gedeckte Medikamente, kommen noch dazu.

Interessant ist noch Folgendes: Künftig soll die Franchise automatisch der Kostenentwicklung angepasst werden. Klettern die Gesundheitskosten über ein bestimmtes Mass, steigt automatisch auch die Franchise. Als ob Chronischkranke und Menschen mit bescheidenem Haushaltbudget dafür verantwortlich sind, dass die Gesundheitskosten Jahr für Jahr steigen.

Es ist offensichtlich, wem eine Erhöhung der Franchise besonders weh tut: den Chronischkranken und jenen, die spitz kalkulieren müssen. Überhaupt nicht weh tut dies den operierenden Ärzten, Spitälern und Krankenkassen. Im Gegenteil: Sie profitieren davon. Nicht direkt, aber indirekt.

Und so funktioniert es: Operiert ein Belegarzt einen halbprivat oder privat versicherten Patienten, erhält er ein deutlich höheres Honorar als bei einem grundversicherten, obschon seine Leistung identisch ist. Auch das Spital erhält für Zusatzversicherte mehr Geld als für Menschen, die nur die Grundversicherung haben. Und dass Krankenkassen mit Spitalkostenversicherungen gutes Geld verdienen, braucht keine nähere Erläuterung.

Operierende Ärzte, Spitäler und Krankenkassen haben also ein ureigenes Interesse daran, dass sich möglichst viele Versicherte den Luxus einer Spitalzusatzversicherung leisten. Doch je stärker die Prämien steigen, desto weniger werden sich Versicherte dies leisten können. Deshalb ist es durchaus im Sinn von Chirurgen und Spitälern, dass die Prämien durch eine Erhöhung der Franchise entlastet werden und sich der Mittelstand weiterhin den Komfort einer Spitalzusatzversicherung gönnt.

«Es droht eine Zweiklassenmedizin», verlautet die SP, die aus diesem Grund gegen die Erhöhung der Franchise das Referendum ergreifen will. Was heisst hier «droht»? Eine Zweiklassenmedizin haben wir schon längst. Vielleicht sogar eine Dreiklassenmedizin: Grundversicherte; Halbprivat- und Privatversicherte.

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