Gopfried Stutz
Eine Spitalversicherung, die keiner braucht

BLICK-Kolumnist Claude Chatelain über die überflüssigste Spitalversicherung, die gleichzeitig die beliebteste ist.
Publiziert: 20.10.2018 um 15:55 Uhr
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Aktualisiert: 02.11.2018 um 12:17 Uhr
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Ich staune, wie viele Leute sich immer noch den Luxus einer Spitalkostenzusatzversicherung leisten: 649'000 sind halbprivat, 267'000 privat versichert. Noch mehr staune ich aber darüber, wie viele die Spitalversicherung «Allgemeine Abteilung ganze Schweiz» abgeschlossen haben. Nämlich 2,68 Millionen.

Diese Zusatzversicherung bietet lediglich die Möglichkeit, in einem Spital ausserhalb des Wohnkantons zu liegen, ohne dafür einen Aufpreis bezahlen zu müssen. Für einen Appenzeller oder Urner mag das sinnvoll sein. Aber für einen Zürcher, Basler, Berner, Luzerner, Waadtländer, Genfer?

Man muss wissen: Seit 2012 kann man sich auch ohne diese Zusatzversicherung in einem ausserkantonalen Spital behandeln lassen. Man muss lediglich die Differenz zu den Kosten bezahlen, die im Heimkanton anfallen würden. Bei Behandlungen, die im Heimkanton nicht angeboten werden, oder bei Notfällen ist man eh versichert.

Nun möchte man wissen, wie hoch diese Differenz ist, die man selber berappen müsste. Und ob das ausserkantonale Spital überhaupt teurer ist als im Heimkanton. Falls nicht, gäbe es ja keinen Aufpreis zu bezahlen.

Mit anderen Worten: Man muss den Referenztarif des Heimkantons kennen. Dumm nur, dass gewisse Kantone ihre Referenzpreise bewusst unter den effektiv angewandten Tarifen angesetzt haben. Sie wollen verhindern, dass sich die Prämienzahler ausserhalb ihres Kantons behandeln lassen. Derzeit laufen in Bundesbern Bemühungen, dieses Tun zu unterbinden.

Doch selbst bei korrekten Referenzpreisen ist das Problem nicht gelöst. Wer kennt schon den Referenztarif seines Kantons? Wo kann man ihn einsehen? Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verfügt nicht über eine entsprechende Übersicht.

Und selbst wenn ich die Referenztarife in Erfahrung bringe, nützt mir das bei Vertragsschluss wenig. Die Tarife ändern von Jahr zu Jahr.

Die Krankenkassen, die diese unnötige Versicherung verkaufen, werden einwenden, dass diese Produkte noch andere Zusatzleistungen beinhalten: etwa einen Beitrag an Bade- und Erholungskuren, an Brillen und Kontaktlinsen oder eine bessere Deckung für Spitalaufenthalte im Ausland. All das ist «nice to have», keineswegs aber zwingend.

Wie wir gesehen haben, weiss man nicht, ob eine Behandlung im ausserkantonalen Spital von der Grundversicherung vollends gedeckt ist. Sicher ist sicher, scheinen sich ganz viele zu sagen, und versichern sich für die «Allgemeine Abteilung ganze Schweiz». Offenbar auch ganz viele, die in einem Universitätskanton wohnen. Schliesslich kostet die Versicherung nur ein paar Franken pro Monat.

Der Finanzchef einer Krankenkasse sagte mir einmal, die Zusatzversicherung «Allgemeine Abteilung ganze Schweiz» sei für die Krankenkasse trotz der tiefen Prämie ein gutes Geschäft: «Jeder hat sie, keiner braucht sie.»

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