Gleiche Einkommen, aber je nach Wohnort unterschiedliche Steuern
«Steuerunterschiede sind nicht gerecht, aber notwendig»

In den teuersten Gemeinden zahlen die Einwohner gegenüber den günstigsten das x-Fache an Steuern. Professor Kurt Schmidheiny von der Universität Basel erklärt im Interview, warum die Unterschiede ungerecht, aber notwendig sind.
Publiziert: 09.03.2024 um 12:12 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2024 um 13:22 Uhr
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Die Höhe der Steuern unterscheidet sich je nach Gemeinde.
Foto: Keystone
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Die Steuerunterschiede in der Schweiz sind riesig: Während ein Singlehaushalt mit einem Bruttoeinkommen von 100’000 Franken in der günstigsten Gemeinde Baar ZG nur 5,84 Prozent an die Behörden abliefern muss, sind in Enges NE 19,89 Prozent fällig. Das ist beinahe das Vierfache! Wie kommen derart grosse Unterschiede zustande? Und warum ziehen nicht alle Menschen in steuergünstige Gemeinden? Professor Kurt Schmidheiny (54) liefert im Interview die Antworten. Er forscht an der Universität Basel zu den Themen Steuerwettbewerb und Steuerföderalismus. 

Blick: In manchen Gemeinden müssen die Leute 3-, 4- oder gar 5-mal höhere Steuern zahlen. Ist das gerecht?
Kurt Schmidheiny: Auf den ersten Blick ist das sicher nicht gerecht, wenn man bei gleichem Einkommen derart unterschiedlich hohe Steuern zahlen muss. Mit Blick auf den Föderalismus und Autonomie der Regionen geht es jedoch nicht anders. 

Das müssen Sie ausführen …
In der Schweiz können die Gemeinden und Kantone entscheiden, ob sie ein Schwimmbad oder eine neue Strasse bauen wollen, was für ein Schulhaus sie wünschen, ob sie eine Universität möchten, in welchem Umfang sie Spitäler finanzieren und vieles mehr. Die Bevölkerung entscheidet, was sie möchte. Das ist für unsere Demokratie sehr wichtig. Dank dieser lokalen Autonomie sind die Menschen in der Schweiz gemäss Umfragen viel weniger politikverdrossen als im Ausland. Die Kehrseite davon sind aber die Steuern. Wer etwas haben will, muss dafür bezahlen. 

Der Steuerwettbewerb führt aber auch dazu, dass die reichen Haushalte in günstige Gemeinden ziehen.
Es ist tatsächlich so, dass sich einkommensstarke Haushalte in bestimmten Gemeinden zusammentun. So können sie der Steuerprogression aus dem Weg gehen. Andernorts müssten sie viel mehr bezahlen. Der Steuerwettbewerb verstärkt somit die Trennung von Arm und Reich. Und dank der vielen reichen Einwohner sind die Steuereinnahmen in den günstigen Gemeinden trotzdem höher als andernorts. Es ist nicht etwa so, dass diese Gemeinden haushälterischer mit den Steuern umgehen. Im Gegenteil. Bei ihnen sind die schönsten Schwimmbäder und öffentlichen Schulen zu finden. Damit werden die Unterschiede auf Dauer weiter zementiert.

Und von diesen Vorteilen kann der Mittelstand kaum profitieren, weil die Immobilienpreise in den Steuerparadiesen zu hoch sind.
Der Umzug lohnt sich tatsächlich in den meisten Fällen nur für reiche Leute. Gleichzeitig leben in den Gemeinden mit den höchsten Steuern schlicht keine Millionäre. Der Steuerwettbewerb entzieht ihnen also gute Steuerzahler. Deshalb greift die Schweiz lenkend ein und lässt keinen zügellosen Wettbewerb zu.

Und wie sehen diese Eingriffe aus?
Die reichen Kantone müssen über den Finanzausgleich sehr viel Geld an die Ärmeren abgeben. Ohne das wären die Unterschiede in den Steuersätzen noch viel grösser. Dann gibt es noch die direkte Bundessteuer, die für alle gleich ist und bei der die Steuerprogression sehr stark ausfällt. Ein weiterer Ausgleich erfolgt über die Sozialversicherungen. Obwohl die Arbeitslosigkeit in den steuergünstigen Regionen im Schnitt deutlich tiefer ist, müssen sie hier genauso einzahlen. Ich glaube nicht, dass die Schweiz profitiert, wenn wir den Steuerwettbewerb abschaffen. 

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