Die Vertreterin der Kleinen ist eine finanzielle Supermacht in der Schweizer Politlandschaft: Die Gewerkschaft Unia verfügt über Immobilien im Wert von 436 Millionen und Finanzanlagen von 329 Millionen Franken. Nachdem der «Tages-Anzeiger» und Blick Mitte September über die geheimen Schätze berichteten, publiziert die Unia erstmals ihre Jahresrechnung.
Tatsächlich dürfte das Vermögen der Klassenkämpfer die offiziellen Angaben noch übersteigen. Denn die Unia bewertet ihr Betongold zu Anschaffungskosten. Dank des Immobilienbooms ist der wahre Wert höher.
Einen Beleg für die Unterbewertung liefert der Liegenschaftsertrag. Knapp 32 Millionen Franken spülten die 2860 Wohnungen und 151 Liegenschaften letztes Jahr in die Unia-Kasse. Das ist ein stolzer Betrag – für den Investoren weit mehr zu zahlen bereit wären als die von der Unia bilanzierten 436 Millionen.
Wahrer Wert dürfte mindestens 60 Prozent höher liegen
Dies ergibt sich aus dem IAZI Swiss Property Benchmark. Gemäss dem wichtigsten Massstab für institutionelle Anleger werfen Immobilien im Schnitt eine Rendite von 4,6 Prozent ab. Die 32 Millionen Ertrag entsprechen damit einem Portfoliowert von 695 Millionen Franken – rund 60 Prozent mehr als von der Unia angegeben. «Bei einem Verkauf am Markt wären noch höhere Preise nicht ausgeschlossen», sagt IAZI-CEO Donato Scognamiglio (51).
Doch auch wenn man die offiziellen Zahlen nimmt, ist die Unia im Vergleich zum Klassenfeind ein Krösus. Der Baumeisterverband, traditionell der Hauptkontrahent der Unia, besitzt ein Eigenkapital von 20 Millionen – weniger als fünf Prozent von dem, was die Gewerkschaft auf der hohen Kante hat. Die Baumeister publizieren ihre Jahresrechnung seit Jahren im Internet.
Immerhin wird die Unia nun zum Vorbild für Transparenz im eigenen Lager. Die Syna, die Nummer zwei im Land, publiziert keinerlei brauchbare Zahlen. Die Syndicom will laut Präsident Daniel Münger (60) hingegen der Unia folgen – vorausgesetzt, die Delegiertenversammlung stimmt dem Antrag zu.
Gewerkschaften finanzieren sich mit öffentlichen Geldern
Störend ist die Geheimnistuerei deshalb, weil sich die drei Gewerkschaften zu einem schönen Teil mit öffentlichen Geldern und Zwangsabgaben finanzieren. So betreibt die Unia schweizweit Arbeitslosenkassen. Und sie kassiert Solidaritäts- oder Vollzugskostenbeiträge aus Gesamtarbeitsverträgen.
Die Einkünfte daraus sind längst wichtiger als das gewerkschaftliche Kerngeschäft, das unter Mitgliederschwund leidet. Separate Rechnungen für die Sparten mit öffentlichen Geldern weist die Unia nicht aus. Deshalb ist nicht klar, wie rentabel diese sind. Hier gibts in Sachen Transparenz noch Luft nach oben.